"De Standaard" (Brüssel):
"Ein zeremonieller Freundschaftsbesuch in Moskau kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Peking den Zermürbungskrieg Russlands in der Ukraine vor allem strategisch für sich nutzen will. (...) Oberflächlich betrachtet wirkt der Besuch wie ein diplomatischer Fauxpas. China gibt sich als "neutraler Faktor" bei künftigen Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland. Doch Xi Jinping kann nicht als "Friedenstaube" überzeugen, indem er mit Präsident Wladimir Putin, der vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Kriegsverbrechen gesucht wird, sibirischen Lachs und Wachtelblinis teilt.
Das stark nationalistisch geprägte China hat beschlossen, dass man dem Westen nicht mehr trauen kann. Deshalb hat es in den letzten Jahren und Monaten im Nahen Osten, in Lateinamerika und Afrika verstärkt nach Rohstoffen, Einfluss, Märkten und diplomatischer Unterstützung gesucht. In diesen Ländern will China Eindruck machen. Chinas "Friedensplan" für die Ukraine dürfte in dieser Hinsicht hilfreich sein: Er ist im Wesentlichen ein Aufruf zu "besserem Einvernehmen" und bildet dem Anschein nach einen angenehmen Kontrast zu den Waffenlieferungen der USA."
"The Times" (London):
"Das durch die westlichen Sanktionen geschwächte Russland braucht China als Absatzmarkt für seine Energieexporte und als Lieferant für Konsumgüter und Technologien wie Computerchips. Für China bietet die Partnerschaft Zugang zu billigem Gas, Militärtechnologie und einen Verbündeten in seinem langfristigen strategischen Wettbewerb mit den USA.
Der Besuch - der erste von Xi seit der Invasion - ist eine Herausforderung für den Westen, der versucht hat, (Russlands Präsidenten Wladimir) Putin zu isolieren und Russland als Schurkenstaat darzustellen. Da Xi diesen Pariastatus nicht teilen möchte und nicht in einen Sanktionskrieg mit den USA und der Europäischen Union verwickelt werden will, war er darauf bedacht, sich als Friedensstifter darzustellen.
Doch sein Zwölf-Punkte-Friedensplan für die Ukraine, den er während seines Besuchs präsentierte, enthält keinen Hinweis auf einen russischen Rückzug aus dem ukrainischen Staatsgebiet. Hinzu kommt der Verdacht, dass China seine Hilfe für die russischen Kriegsanstrengungen durch die Lieferung von Munition, Kampfdrohnen und anderem Material ausweiten könnte."
"El Mundo" (Madrid):
"Xi Jinping hat einen diplomatischen Regenschirm aufgespannt, um seinen Freund Wladimir Putin vor dem Sturm der weltweiten Ablehnung zu schützen, der ihn seit dem Einmarsch in die Ukraine zum Paria gemacht hat. Das Timing könnte nicht kritischer sein: Der Rettungsanker des chinesischen Präsidenten kommt genau zu dem Zeitpunkt, an dem der Internationale Strafgerichtshof gegen seinen russischen Kollegen - den er als "strategischen Partner" bezeichnete - einen Haftbefehl erlassen hat, der den Vorwurf von Kriegsverbrechen erhärtet.
Xis Besuch diente auch dazu, die gefährliche politische und wirtschaftliche Allianz zwischen zwei Autokratien zu stärken, die in dem Wunsch vereint sind, die Weltordnung zu ändern, um gegen die Demokratien und gegen die humanistischen Werte des Westens ihre illiberale Agenda durchzusetzen."
"Hospodarske noviny" (Prag):
"Wahrscheinlich werden wir nie erfahren, worüber der russische Präsident Wladimir Putin und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping tagelang verhandelt haben. Doch dieses Treffen wird zweifellos in die Geschichtsbücher als der Moment eingehen, in dem Russland definitiv zu einem Vasallen Chinas geworden ist. Das ist allein der Verdienst Putins, der mit seinem Krieg gegen die Ukraine und den dadurch ausgelösten westlichen Sanktionen die russische Wirtschaft in die Knie gezwungen hat.
China könnte nun schrittweise den Druck auf Russland erhöhen und nicht nur die Lieferung von Rohstoffen verlangen, sondern auch den Transfer von Militärtechnologien. Die russische Wirtschaft dürfte ihre Geschäfte künftig immer mehr in der chinesischen Währung Yuan abwickeln."
"La Vanguardia" (Barcelona):
"Xi Jinping hat gerade einen großen Erfolg mit der bis vor kurzem unvorstellbaren Annäherung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien erzielt. Gestern begann er einen dreitägigen Besuch in Moskau, um etwas viel Schwierigeres zu versuchen, nämlich Frieden in der Ukraine zu ermöglichen. Chinas Präsident ist wegen seiner Überlegenheit gegenüber Wladimir Putin am ehesten zu einer Vermittlung in der Lage, da Russland gerade jetzt China dringend braucht. Und im Gegensatz zu anderen Vermittlern, die von beiden Parteien nicht anerkannt werden, hat die ukrainische Regierung bereits um ein Treffen mit Xi gebeten.
Die Positionen beider Seiten sind noch weit voneinander entfernt und eine Einigung erscheint wie eine Utopie. Russland will die annektierten Gebiete Donbass, Cherson und Saporischschja behalten, Kiew will sie zurück. Putin hat nur wenige Optionen und der Weg zum Frieden wird nur mit Hilfe von Xi Jinping möglich sein. Sicherlich ist die Zeit für eine Einigung noch nicht gekommen, aber es scheint klar, dass der chinesische Präsident eine Schlüsselfigur sein wird, wenn es dazu kommt. Sein Einfluss in der Welt wird immer größer."