Russland befreie im Wesentlichen die von "Nazis" und "Terroristen" durchsetzte Ukraine, sei seinerseits angegriffen worden und setze außerdem mit (seinen wenigen, noch verbliebenen) Verbündeten alle Stücke daran, Frieden zu schaffen. Der wahre Gegner und Kriegstreiber sei ausschließlich der Westen: So lautet die bereits sattsam bekannte und immer wieder wiederholte Sichtweise des russischen Regimes seit seiner Invasion in der Ukraine am 24. Februar 2022. Man kann es auch vollumfänglich Putin-Propaganda nennen.
Moderatorin nimmt sich kein Blatt vor den Mund
Dass das diplomatische Personal Russlands in aller Welt diese "Argumentation" übernimmt, ist kaum verwunderlich. Selten jedoch wird es bei offiziellen Anlässen – in diesem Fall ein Auftritt in der Morgensendung "7.30" des australischen Senders ABC – mit derart klaren Worten konfrontiert. Moderatorin Sarah Ferguson hat für Alexej Pawlowsky, er ist außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Russischen Föderation in "Down Under", überaus direkte Fragen parat.
Bereits der Einstieg ohne jede Umschweife, der zwei Lebensrealitäten überdeutlich gegenüberstellt, hat es in sich: Die 57-jährige, vielfach ausgezeichnete Investigativjournalistin und Autorin fragt den 60-jährigen Kreml-Vertreter: "Sie sind hier in Australien und genießen die Vorteile einer freien und offenen Gesellschaft. Wie leben Sie mit sich selbst, wenn Sie das repressive, diktatorische Putin-Regime repräsentieren?" Pawlowsky ist kurz sprachlos, um dann in verlegenes Kichern überzugehen und festzustellen, dass dies ein sehr direkter Einstieg für ein Interview sei.
Pawlowsky lobt die Lebensqualität in Russland und hält fest: "Lassen Sie mich Ihnen zunächst sagen, dass ich nie Probleme hatte, in meinem Land zu leben. Dort habe ich nach meiner vorherigen Berufung 13 Jahre lang gelebt, bevor ich nach Australien kam. Ich hatte nie den Eindruck, dass ich in einem autoritären Land lebe, oder wie Sie es ausgedrückt haben." Sie habe es in Wahrheit "repressiv und diktatorisch" genannt, kontert Ferguson und erläutert: "Es ist ein Regime, das seinen Nachbarn angegriffen hat. Es ist ein Regime, in dem Proteste unterdrückt werden, in dem Ihre freien Medien mundtot gemacht werden, in dem Andersdenkende ermordet oder inhaftiert werden, in dem das Ausmaß Ihrer Kriegsopfer vor der Öffentlichkeit verborgen wird."
Schwerste Vorwürfe in Ukraine-Bericht der UNO
Ferguson lässt sich in weiterer Folge nicht beirren und spricht den jüngsten Ukraine-Bericht des UN-Menschenrechtsrats an: Russische Truppen haben im Ukraine-Krieg laut einer Untersuchungskommission zahlreiche Kriegsverbrechen begangen. Dazu zählen vorsätzliche Tötungen, Angriffe auf Zivilisten, rechtswidrige Gefangenschaft, Vergewaltigung und die Verschleppung von Kindern, hieß es in dem am vergangenen Donnerstag in Genf vorgelegten Report. Auch die fortgesetzten Angriffe auf die zivile Energieinfrastruktur der Ukraine und Folter könnten Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen.
Pawlowsky spricht von "Tunnelblick" des Westens und davon, sich den Bericht erst selbst durchlesen zu müssen. Nach weiteren direkten Fragen Fergusons schwenkt er wieder auf die haltlose Erzählweise Moskaus ein: Die "ukrainische Tragödie" habe angefangen, als man in Kiew ein Nazi-Regime installiert habe. In weiterer Folge spielt er auf den historisch zweifellos zu diskutierenden Irak-Krieg an – nur dieser sei "kriminell" gewesen. Gehirne würden gewaschen, so Pawlowsky.
"Die russische Invasion in der Ukraine war eine kriminelle Handlung, und das russische Militär hat die Menschen in der Ukraine terrorisiert. Verstehen Sie, dass man keiner Gehirnwäsche unterzogen werden muss, um das zu verstehen?", hält die Moderatorin fest.