Nach dem Absturz einer US-Aufklärungsdrohne über dem Schwarzen Meer warnen die USA Moskau vor einer Eskalation. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, wies die Darstellung aus Moskau zu dem Vorfall zurück und sagte, die US-Regierung erwäge, Bildmaterial von dem Aufeinandertreffen einer US-Drohne mit zwei russischen Kampfjets zu veröffentlichen, um für Aufklärung zu sorgen. Moskau erklärte, die Drohne sei nach einem Ausweichmanöver abgestürzt.
"Wollen nicht, dass Krieg eskaliert"
Kirby sagte, ein derart unangemessenes Vorgehen russischer Piloten könnte zu "Fehleinschätzungen" zwischen den Streitkräften beider Länder führen. Mit Blick auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine sagte er: "Wir wollen nicht, dass dieser Krieg über das hinaus eskaliert, was er dem ukrainischen Volk bereits angetan hat."
Vom US-Militär hieß es zum Ablauf des Vorfalls, zwei russische Kampfjets hätten ein Abfangmanöver mit der amerikanischen Drohne vom Typ MQ-9 betrieben, die im internationalen Luftraum über dem Schwarzen Meer geflogen sei. Einer der Kampfjets habe dabei den Propeller der US-Drohne getroffen und sei im Grunde in die Drohne reingeflogen. Diese sei danach nicht mehr manövrierfähig gewesen, US-Kräfte hätten sie deshalb vom Himmel holen und ins Meer stürzen lassen müssen. Durch den Crash habe man die Drohne komplett verloren. Washington spricht von einem "unsicheren und unprofessionellen" Handeln der russischen Seite.
Auf die Frage, ob die USA Beweise für ihre Darstellung vorlegen könnten, sagte Kirby: "Wir schauen uns einige Bilder an, um zu sehen, ob sie geeignet sind, veröffentlicht zu werden. Aber wir haben noch keine Entscheidung dazu getroffen. Zu einer möglichen Bergung des Fluggeräts sagte er lediglich, die USA hätten Vorkehrungen getroffen, damit die Drohne nicht in fremde Hände gerate.
Pentagon-Sprecher Pat Ryder erklärte, der Vorfall habe vermutlich auch an dem russischen Kampfjet einen Schaden verursacht. Die beiden russischen Jets hätten sich etwa 30 bis 40 Minuten in der Nähe der US-Drohne aufgehalten, bevor es zur Kollision gekommen sei. Das US-Militär gab an, vor dem Zusammenstoß hätten die russischen Flieger Treibstoff über der US-Drohne abgelassen und seien mehrfach vor dieser hergeflogen - in rücksichtsloser, umweltschädlicher und unprofessioneller Weise. Dies zeuge von einem "Mangel an Kompetenz".
Russlands Verteidigungsministerium wies jede Verantwortung für den Absturz von sich. Die Drohne sei weder beschossen noch auf andere Weise angegriffen worden, hieß es in einer von der Staatsagentur Tass verbreiteten Mitteilung. Jets der Luftwaffe seien aufgestiegen, um einen unbekannten Eindringling über dem Schwarzen Meer zu identifizieren. Bei einem scharfen Ausweichmanöver habe die Drohne rapide an Höhe verloren und sei abgestürzt. "Die russischen Kampfflugzeuge haben keine Bordwaffen eingesetzt, sind nicht in Kontakt mit dem unbemannten Flugapparat geraten und kehrten sicher zu ihrem Heimatflughafen zurück."
Moskaus Botschafter in Washington warf den USA vor, mit ihren Drohnen Aufklärungsdaten für die Ukraine zu sammeln. "Was machen sie Tausende Meilen entfernt von den Vereinigten Staaten? Die Antwort ist offensichtlich - sie sammeln Geheimdienstinformationen, die später vom Kiewer Regime genutzt werden, um unsere Streitkräfte und unser Territorium anzugreifen", teilte der russische Botschafter Anatoli Antonow in Washington mit. "Wir gehen davon aus, dass die Vereinigten Staaten von weiteren Spekulationen in den Medien Abstand nehmen und Flüge in der Nähe der russischen Grenze stoppen", schrieb Antonow. "Wir betrachten jede Aktion mit dem Einsatz von US-Waffen als offen feindlich."
"Gefährliches, unprofessionelles Abfangen"
Das US-Außenministerium lud Antonow wegen des Vorfalles vor. Dabei wollten die USA ihren "starken Widerspruch gegen dieses gefährliche, unprofessionelle Abfangen" der Drohne zum Ausdruck bringen, sagte Ministeriumssprecher Ned Price. In Moskau habe bereits US-Botschafterin Lynne Tracy dem russischen Außenministerium eine "starke Botschaft" übermittelt.
Die MQ-9-Drohne wird in erster Linie zur Aufklärung genutzt, kann aber auch Präzisionsangriffe durchführen. Sie wird aus der Ferne gesteuert. Das Pentagon wollte keine genaueren Angaben dazu machen, was genau die Mission der Drohne in diesem Fall gewesen sei und ob sie bewaffnet war oder nicht. Abfangmanöver haben nicht unbedingt zum Ziel, ein Flugzeug abzudrängen oder zur Landung zu zwingen, sondern dienen oft dazu, um etwa durch Sichtkontakt festzustellen, ob von einem verdächtigen Fluggerät eine Gefahr ausgeht.