Russland kämpft in der Ukraine nach den Worten von Präsident Wladimir Putin um die eigene Existenz. "Für uns ist das keine geopolitische Aufgabe, sondern eine Aufgabe für das Überleben des russischen Staates", sagte Putin vor Beschäftigten eines Flugzeugbauers am Dienstag in der Region Burjatien im Osten des Landes. Der Westen hingegen versuche, Russland in die Knie zu zwingen, um in der Ukraine seine geopolitische Position zu verbessern.

"Nach 2014 begann einfach die physische Auslöschung derer, die für die Entwicklung normaler Beziehungen zu Russland eingetreten sind", behauptete Putin bei dem Treffen mit handverlesenen Arbeitern eines Hubschrauberwerks im sibirischen Ulan-Ude mit Blick auf Kiew.

Jahrzehntelang habe Russland versucht, gute Beziehungen zur Ukraine aufzubauen. "Grundsätzlich geändert hat sich die Situation 2014, als mit Hilfe des Westens ein Staatsumsturz stattfand", sagte der 70-Jährige. Nach dem Sturz und der Flucht des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch annektierte Russland die Schwarzmeer-Halbinsel Krim und unterstützte die Separatisten im ostukrainischen Donbass-Gebiet.

An der Nase herumgeführt

Putin erklärte, acht Jahre lang eine friedliche Lösung des Donbass-Konflikts angestrebt zu haben. Russland sei aber "an der Nase" herumgeführt worden. Er rief die Bevölkerung bei dem vom Staatsfernsehen gefilmten Auftritt zum Zusammenhalt auf, um den Sieg zu erringen. Mehr als ein Jahr nach Beginn der russischen Invasion ist nicht in Sicht, dass das Moskauer Militär seine Kriegsziele erreicht. Putin sagte dennoch, dass der Krieg mit einem "Sieg und Erfolg" für Russland enden werde.

Zu den westlichen Sanktionen meinte er auf Nachfrage der Werktätigen, dass sich die Hoffnung des Westens - der Zusammenbruch der russischen Wirtschaft - nicht erfüllt habe. Sie halte dem Druck Stand. Vielmehr habe sich die Lage für das Land unerwartet gut entwickelt. Die russische Wirtschaft habe sich überraschend robust und widerstandsfähig gezeigt.

Weitere Angriffe

Das russische Militär beschoss am Dienstag das Zentrum der Großstadt Kramatorsk in der Ostukraine mit Raketen. Bei dem Angriff seien mindestens sieben Menschen verletzt und einer getötet worden, teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstag gemäß einer in sozialen Netzwerken verbreiteten Mitteilung mit. Diese Taten zögen unvermeidlich "gerechte" Strafen nach sich, so Selenskyj. Durch den Angriff seien sechs Mehrfamilienwohnhäuser beschädigt worden, sagte er.

Bei weiteren Attacken in der Nacht wurden Behördenangaben zufolge im benachbarten Kostjantyniwka mindestens zwei Menschen getötet und sieben verletzt. Mehrere Raketeneinschläge gab es demnach zudem in der umkämpften Stadt Awdijiwka. Dabei seien mindestens ein Mensch getötet und zwei weitere verletzt worden, hieß es.

Die Frontlinie verläuft etwa 20 Kilometer östlich von Kramatorsk. Die schwer umkämpfte Stadt Bachmut befindet sich rund 30 Kilometer von der Stadt entfernt. Vor Kriegsbeginn lebten über 140.000 Menschen in Kramatorsk. Stand Dezember sollen noch etwa 80.000 Leute dort verblieben sein.

Kämpfe um Bachmut

Die ukrainische Militärführung beschloss am Dienstag, die ostukrainische Stadt Bachmut weiter zu verteidigen. Alle Mitglieder der Militärführung hätten einstimmig der weiteren Verteidigung von Bachmut zugestimmt, teilte das Präsidialamt mit.

"Die Abwehroperation in diesem Gebiet ist von höchster strategischer Bedeutung, um den Feind abzuweisen", schrieb Armeechef Walerij Saluschnyj auf Facebook. Die Verteidigung von Bachmut sei der Schlüssel zum Schutz der gesamten Front.

Bachmut ist seit Wochen Brennpunkt an der Ostfront des Landes. Dort versuchen russische Einheiten, angeführt von der berüchtigten Söldnertruppe Wagner, den Ort mit allen Mitteln zu erobern. Bisher ist es den russischen Angreifern gelungen, die Stadt von drei Seiten zu bedrängen. Bachmut gilt inzwischen als weitgehend zerstört. Beide Seiten sollen in den Kämpfen bereits schwere Verluste erlitten haben.

Schlamm verhindert Vorstöße

Auf russischer Seite wird zunehmend ein ukrainischer Vorstoß im Donezker Gebiet zur Entlastung von Bachmut erwartet. Nach russischen Berichten wurden dazu mehrere ukrainische Brigaden zwischen den Städten Slowjansk und Kostjantyniwka zusammengezogen. Bisher erlaubt der im Frühjahr in dem Gebiet auftretende Schlamm jedoch keine schnellen Vorstöße abseits von befestigten Straßen.

Zuletzt äußerten sich ukrainische Militäranalysten kritisch über das Festhalten an der Schlacht um Bachmut. "Wir haben Informationen, dass die Ukraine Reservisten nach Bachmut schickt, die in westlichen Ländern ausgebildet wurden. Und wir erleiden Verluste unter den Reservisten, die wir für Gegenoffensiven einsetzen wollten", sagte der ukrainische Militäranalyst Oleh Schdanow. "Wir könnten hier alles verlieren, was wir für diese Gegenoffensiven einsetzen wollten."