Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat zum Jahrestag des Kriegsbeginns sein striktes Nein zu einem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin bekräftigt. Damit reagierte er am Freitag in Kiew auf einen Vorstoß des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der Putin in einem Telefonat zu Verhandlungen bewegen wollte. Selenskyj sagte, er habe Erdogan schon vor Kriegsausbruch vorgeschlagen, Putin an den Verhandlungstisch zu holen, um einen großen Krieg zu verhindern.
"Er konnte das aber nicht." Dann fügte er hinzu: "Jetzt können wir nicht." Selenskyj stellte aber in Aussicht, sich mit dem chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping zu treffen. "Ich glaube, dass dies für unsere Länder und die globale Sicherheit von Vorteil sein wird", sagte Selenskyj. "Dabei geht es nicht nur um Krieg. Es geht darum, dass wir Staaten sind, die an der Aufrechterhaltung wirtschaftlicher Beziehungen interessiert sind." China hatte zuvor in einem Positionspapier beide Seiten zu Gesprächen aufgerufen.
Aufnahme von Verhandlungen
Deutschland, Frankreich und Großbritannien wollen die Ukraine zur Aufnahme von Friedensgesprächen mit Russland ermutigen. Das berichtete das "Wall Street Journal" Freitagabend unter Berufung auf Vertreter der drei Länder. In den engeren Beziehungen zwischen der Nato und Kiew sehen die drei wichtigsten Euro-Nato-Partner eine Möglichkeit, Kiew zur Aufnahme von Verhandlungen zu bewegen. Auch Chinas UNO-Vertreter Dai Bing forderte in New York Verhandlungen "ohne Bedingungen".
"Wir rufen Russland und die Ukraine dazu auf, Verhandlungen ohne Vorbedingungen wieder aufzunehmen", sagte Dai bei einem Treffen des UNO-Sicherheitsrats zum ersten Jahrestag der russischen Invasion. "Die Ukraine ist keine Arena für Kämpfe zwischen bedeutenden Ländern. Niemand sollte von dem Konflikt auf Kosten der Menschen in der Ukraine profitieren", sagte der Diplomat aus Peking. Zuvor hatte China in einem Positionspapier zu einem Waffenstillstand und Verhandlungen aufgerufen.
In der "ZiB 2" des ORF begrüßte der ukrainische Vize-Außenminister Andrij Melnyk die Bemühungen Pekings zur Beendigung des Krieges. Gleichzeitig erklärte er, dass Forderungen nach einem Waffenstillstand oder die Aufhebung der Sanktionen gegen Moskau "nicht hinnehmbar" seien. Vielmehr solle China Einfluss auf den Kreml nehmen, damit Russland den Krieg beende, denn schließlich liege der "Schlüssel für ein Kriegsende" im Kreml, sagte Melnyk via Skype in der ORF-Sendung.
Unterdessen forderte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seinen türkischen Amtskollegen Erdogan in einem Telefonat auf, gegen jede Umgehung der wegen des Krieges gegen Russland verhängten Sanktionen zu "kämpfen". Der "Druck auf und die Isolierung von Russland müssen verstärkt werden", hieß es aus dem Élysée-Palast. Moskau müsse gezwungen werden, seinen Angriff "aufzugeben".
Erdogan bemüht sich seit Beginn des Krieges, die Rolle eines Vermittlers zu spielen. Er unterhält enge Arbeitsbeziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, beliefert aber gleichzeitig die Ukraine mit Waffen.