Russland bereitet nach Ansicht ukrainischer Militärs einen neuen schweren Raketenangriff auf die Ukraine vor. Die meisten Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte seien in ihre Stützpunkte zurückgekehrt, was auf die Vorbereitung eines neuen Schlags hindeute, sagte eine Sprecherin der ukrainischen Streitkräfte am Donnerstag im Fernsehen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow kündigte indes im russischen Fernsehen an, die ukrainische Armee weiter zurückzudrängen.

Raketenhagel seit Oktober

Russland überzieht seit Oktober ukrainische Städte und Infrastruktur mit schweren Raketenangriffen. Die meisten Marschflugkörper werden von Schiffen aus dem Schwarzen oder Kaspischen Meer und von strategischen Bombern abgefeuert. Nach Angaben der Sprecherin der Kommandostelle Süd in den ukrainischen Streitkräften, Natalja Humenjuk, sind nur noch zehn Schiffe auf dem offenen Meer, die meisten davon U-Boote. Normalerweise seien es deutlich mehr. "Sie lassen für einige Zeit ihre Muskeln im Meer spielen, demonstrieren ihre Präsenz und Kontrolle über die Situation und fahren dann zu den Stützpunkten, wo sie sich normalerweise auf Manöver für einen massiven Raketenangriff vorbereiten", begründete sie ihren Verdacht auf eine bevorstehende Attacke mit Erfahrungen früherer Angriffe.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow kündigte am Donnerstag in einem ausführlichen Studiointerview auf Russia Today an, auf die Lieferung westlicher Waffen mit größerer Reichweite an die Ukraine mit einer Verschiebung der Fronten zu reagieren. Die ukrainische Armee würde aus dem Grenzgebiet zu Russland verdrängt werden, so Lawrow. Dadurch solle eine Art Sicherheitskorridor geschaffen werden.

Frühere Äußerungen von EU-Kommissionspräsidentin von Ursula von der Leyen, die von der Notwendigkeit einer Niederlage Russlands sprach, nannte er "rassistisch" und "nazistisch". Seinen Darstellungen zufolge befinde sich "die ganze Nato" durch ihre Waffenlieferungen im Krieg gegen Russland. Die ukrainische Regierung bezeichnete er ebenfalls einmal mehr als Neonazis: "Warum weigern sich die Menschen, die Nazi-Ideologie zu sehen, die jetzt im Zentrum des Kiewer Regimes steht?", fragte er den Interviewer Dmitri Kisseljow.

Die Republik Moldau könnte aus Sicht Lawrow ein neues "anti-russisches Projekt" nach der Ukraine werden. Der moldauische Landesteil Transnistrien, der im Osten an die Ukraine grenzt, ist seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ein ausschließlich von Russland anerkannter Staat. Lawrow erklärte weiter, dass der Westen auch Georgien zu Russlands nächstem Feind machen wolle. Die georgischen Provinzen Südossetien und Abchasien befinden sich seit dem Georgienkrieg 2008 unter russischer Besatzung.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bereits Mittwochabend vor einer Zunahme der russischen Angriffe im Vorfeld des Jahrestags des russischen Einmarsches am 24. Februar gewarnt. Im Osten hätten die Russen das Ziel, zu dem Datum Errungenschaften vorzuweisen, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft. "Die Situation wird immer härter", sagte er und lobte den Widerstand der Streitkräfte.

Bei einem Raketeneinschlag in ein vierstöckiges Gebäude in Kramatorsk gab es drei Tote und 20 Verletzte. "Acht Wohnhäuser wurden beschädigt, eines davon wurde vollständig zerstört", schrieb die Polizei auf Facebook. "Möglicherweise befinden sich noch Menschen unter den Trümmern." Die Suche nach Überlebenden und Bergungsarbeiten dauerten am Donnerstag noch an.

US-Datenanalysefirma kooperiert

Die US-Datenanalysefirma Palantir räumt laut der Nachrichtenagentur Reuters erstmals eine umfassende Beteiligung an den Kriegsanstrengungen der Ukraine ein. Nach den Worten von Firmenchef Alex Karp ist das US-Unternehmen "für den größten Teil der Zielerfassung in der Ukraine verantwortlich". Auf die Frage zum Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) erklärt Karp, dass bei Software, die eigenständig handeln kann, ethische Aspekte berücksichtigt werden müssen.

"Es gibt enorme ethische Probleme auf dem Schlachtfeld", sagt der Vorstandschef. "Wenn man einen Algorithmus verwendet, um eine militärische Entscheidung zu treffen, und es geht schief, wer ist dann verantwortlich?" Die Software von Palantier kann mithilfe von Satellitenbildern und sozialen Medien die Positionen einer Armee visualisieren und damit schnell die einzusetzenden Ressourcen ermitteln.