In der Europäischen Union wächst der Druck auf Deutschland, Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte am Montag am Rande des Außenministertreffens in Brüssel, er befürworte die Lieferung. "Wir sind hier, um darüber zu diskutieren", sagte er vor einem Video-Gespräch mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba. Allerdings liege die Entscheidung bei Berlin.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte, auf dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz laste "eine große Verantwortung, wirklich einen Schritt zu tun". Die Europäer müssten vor der erwarteten russischen Frühjahrsoffensive sicherstellen, "dass dann auch das gegebene Material zur Verfügung steht (...), damit die Ukraine sich wehren kann".

Nach Asselborns Worten braucht Kiew dafür mindestens 300 Panzer. Es sei eine Tatsache, "dass nur Leopard-Panzer so präsent sind in Europa", sagte er unter Verweis auf die rund 2.000 Leopard-Panzer in europäischen Beständen.

Der estnische Außenminister Urmas Reinsalu begrüßte in Brüssel die Aussage der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock, der Lieferung von Leopard-Panzern durch Polen "nicht im Weg stehen" zu wollen. "Deutschland ist der Motor Europas, das größte Partnerland, und das bedeutet eine besondere Verantwortung", betonte Reinsalu. Berlin dürfe Kiew nicht weiter im Ungewissen lassen. Er verglich die Lage mit dem biblischen "Fegefeuer".

Der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis äußerte sich enttäuscht über das zögerliche deutsche Vorgehen: "Ich wünschte, ich müsste nicht noch einen weiteren Tag warten, bis die Panzer geliefert werden", sagte er. Die Baltenstaaten Lettland, Estland und Litauen hatten Deutschland am Samstag gemeinsam aufgerufen, "sofort Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern".

Baerbock äußerte sich in Brüssel ausweichend zur Panzer-Frage. Russlands Präsident Wladimir Putin sei "auch elf Monate nach dem Beginn des brutalen russischen Angriffskriegs von seinem mörderischen Plan, die Ukraine zu vernichten, nicht abgewichen", sagte sie. "Und deswegen ist es so wichtig, dass wir als internationale Gemeinschaft alles dafür tun, die Ukraine zu verteidigen."

Weiter alles offen

Die Entscheidung über eine Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine ist nach Angaben von Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius weiter offen. "Der Entscheidungsprozess läuft und den werden wir jetzt abwarten müssen", sagte Pistorius am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Anne Will". Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen zeigte sich unterdessen offen für eine Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine durch Polen.

Pistorius sagte, die Entscheidung hänge "von vielen Faktoren ab" und werde "im Kanzleramt getroffen". Jeder verstehe, in welcher Not die Ukraine aktuell sei. Deswegen werde es "auch bald eine Entscheidung geben, wie immer sie aussieht".

"Dass es Panzer braucht, dass es Offensivbewegung braucht im Hinblick auf Donbass und Luhansk, ist völlig klar", sagte der Minister. Für Deutschland gehe es einerseits um die Abstimmung mit den Partnerländern. Dies sei "vor allem" die Abstimmung mit den USA. Gleichzeitig handle es sich um eine "schwere Panzerwaffe, die eben auch für Offensivzwecke genutzt werden kann". Deshalb müsse die deutsche Bundesregierung hier "sehr sorgfältig abwägen" und könne "nicht übereilt und leichtfertig" entscheiden. Pistorius verwies darauf, dass es auch in der deutschen Bevölkerung "keinesfalls ein einheitliches Meinungsbild" zu der Frage der Panzerlieferungen gebe.

Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock will den Panzer-Export nicht blockieren
Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock will den Panzer-Export nicht blockieren © (c) APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ (TOBIAS SCHWARZ)

Baerbock: Keine Blockade

Zur Kritik des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki, Deutschlands Zögern sei "inakzeptabel", sagte Pistorius: "Schuldzuweisungen helfen niemanden." Deutschland stehe "an der Spitze derjenigen Länder in der Welt, die die Ukraine unterstützen". Die Bundesregierung habe inzwischen insgesamt Systeme und Ausstattung im Wert von 3,3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Deutschland müsse sich hier "nicht verstecken".

Polen und Finnland haben erklärt, Leopard-Panzer aus eigenen Beständen an die Ukraine abgeben zu wollen, damit Kiew sich besser gegen die russischen Angreifer wehren kann. Da die Panzer jedoch aus deutscher Produktion stammen, müsste die von Scholz angeführte Bundesregierung dafür ihre Zustimmung erteilen.

"Wenn man uns fragt, würden wir dem nicht im Weg stehen", sagte Baerbock am Sonntag in einem Interview mit dem französischen Sender LCI in Bezug auf die sogenannten Endverbleibskontrollen. Sie betonte zugleich: "Wir wurden bisher nicht gefragt."

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki © (c) AP (Olivier Matthys)

Polen will Deutschland um Zustimmung bitten

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki erklärte dazu am Montag, Polen werde Berlin um die Erlaubnis bitten, Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern. Die Bemühungen Polens um eine Koalition zur Lieferung von Leopard-Panzern zeigten Wirkung. Selbst wenn Deutschland dieser Koalition nicht angehöre, könne Polen die Panzer im Rahmen einer Kleineren Koalition liefern.

Auch Dutzende britische Abgeordnete fordern in einem Brief an den deutschen Verteidigungsminister die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine. "Wir verstehen die historischen Gründe für die Zurückhaltung, deutsche und in Deutschland hergestellte Panzer bereitzustellen", zitierte die Zeitung "Sun" am Montag aus dem Schreiben. "Wir möchten Sie jedoch in diesem Moment äußerster Dringlichkeit dringend bitten, Ihre Position zu überdenken und zuzulassen, dass Leopard-2-Kampfpanzer – sowohl deutsche als auch in Deutschland gebaute – in den nächsten Tagen an die Ukraine geliefert werden." Koordiniert wurde das Schreiben der "Sun" zufolge vom Labour-Abgeordneten Chris Bryant. Unterschrieben haben demnach die Vorsitzenden der wichtigsten Parlamentsausschüsse sowie Dutzende weitere Abgeordnete. Zuvor hatten sich bereits Ex-Premierminister Boris Johnson bei einem Besuch in Kiew sowie der britische Außenminister James Cleverly für die Lieferung von Leopard-Panzern ausgesprochen. "Ich würde nichts lieber sehen, als dass die Ukrainer mit Leopard 2 ausgerüstet sind", sagte Cleverly am Sonntag der BBC.