Nachdem das EU-Parlament Russland in einer Resolution als Unterstützer von Terrorismus bezeichnet hat, ist die Internetseite der Institution angegriffen worden. "Unsere IT-Experten setzen sich dagegen zur Wehr und schützen unsere Systeme", schrieb die Präsidentin des Europaparlaments Roberta Metsola am Mittwoch auf Twitter. Eine kremlnahe Hackergruppe habe sich zu der Attacke bekannt.
Metsola wies darauf hin, dass das Parlament kurz vorher Russland als staatlichen Unterstützter von Terrorismus bezeichnet habe. Wegen zahlreicher Zugriffe war die Website des Parlaments am Mittwoch nur eingeschränkt nutzbar, wie der Presseverantwortliche Jaume Duch zuvor mitgeteilt hatte. Die Zugriffe stünden im Zusammenhang mit einem sogenannten DDos-Angriff. Bei DDos-Attacken überrollen Angreifer die Server ihrer Opfer mit einer Flut von Datenanfragen, um diese lahmzulegen.
"We are Killnet"
Im Telegramkanal "We Are Killnet" (Wir sind Killnet) wurde am frühen Nachmittag ein Screenshot geteilt, das nahelegt, dass die Gruppe für die Attacke verantwortlich sein könnte. Unabhängig bestätigt wurde dies zunächst nicht. Die russische Hackergruppe "Killnet" ist schon öfter im Zusammenhang mit Angriffen auf westliche Behörden in Verbindung gebracht worden.
Mittwochmittag hatte das EU-Parlament die russlandkritische Resolution mit großer Mehrheit verabschiedet, in der auch gefordert wurde, die EU solle eine Terrorliste für Staaten wie Russland schaffen. Konkret heißt es, dass eine Listung eines Landes als ein "dem Terrorismus Vorschub leistender Staat" restriktive Maßnahmen auslösen und Auswirkungen auf die Beziehungen der EU zu Ländern auf dieser Liste haben könnte. Welche konkreten Auswirkungen eine entsprechende Listung für Russland hätte, ist unklar und müsste von den EU-Staaten entschieden werden.
Linke-Ko-Chef Martin Schirdewan sieht die Resolution kritisch, betonte aber: "Darauf offensichtlich mit einer groß angelegten, kriminellen Cyber-Attacke zu antworten, wirft ein klares Licht auf das Demokratieverständnis der Angreifenden", so der Europaparlamentarier.
Der Grünen-Abgeordnete Rasmus Andresen bezeichnete die Attacke als Warnschuss. "Es ist ein Angriff auf das demokratische Herz Europas." Es werde nicht das letzte Mal gewesen sein, dass man Opfer von solchen Angriffen werde. "Wir sind nicht ausreichend vorbereitet auf solche Attacken", so der Europapolitiker. Die Fraktion der Liberalen schrieb auf Twitter, der Cyberangriff zeige Russlands Verachtung für die Demokratie. "Putins Hacker werden uns nicht zum Schweigen bringen oder unsere Arbeit behindern."
Zunehmend Zivile Ziele im Visier
Das Europaparlament hatte die Resolution mit dem Vorgehen der russischen Streitkräfte begründet, in ihrem Angriffskrieg gegen die Ukraine zunehmend zivile Ziele wie die Energie-Infrastruktur, Krankenhäuser und Schulen ins Visier zu nehmen. Dies sei ein Verstoß gegen internationales Recht.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßte die Entscheidung. "Russland muss auf allen Ebenen isoliert und verantwortlich gemacht werden, um die seit langem betriebene Politik des Terrorismus in der Ukraine und auf dem ganzen Globus zu beenden", schrieb Selenskyj auf Twitter.
Bisher keine Liste für Staaten
Bisher kennt das europäische Recht keine Kategorie oder Liste für Staaten, die Terrorismus unterstützen. Es gibt zwar eine EU-Terrorliste, auf die Gruppen, Einrichtungen und Einzelpersonen gesetzt werden können, Staaten aber nicht. Die USA hingegen haben eine solche Liste auch für Länder. Derzeit stehen Kuba, Iran, Syrien und Nordkorea darauf. Für Staaten, die auf dieser Liste stehen, bestehen etwa Verbote für Rüstungsgeschäfte und finanzielle Strafmaßnahmen.
Das Parlament forderte in seiner Resolution auch, die diplomatischen Beziehungen zu Russland weiter einzuschränken und die Kontakte zu offiziellen Vertretern Russlands auf allen Ebenen auf das absolute Minimum zu beschränken, was bereits weitgehend der Fall ist. Seit Beginn des Ukrainekriegs haben die EU-Staaten wie auch Russland zahlreiche Diplomaten der jeweils anderen Seite ausgewiesen.
Zudem werden in der Resolution weitere Strafmaßnahmen wie ein Embargo gegen russische Diamanten gefordert. Gedrängt wird auch darauf, staatsnahe russische Einrichtungen sowie Organisationen und Verbände unter dem Schutz russischer diplomatischer Vertretungen zu schließen und zu verbieten. Rechtlich bindend ist die Resolution des Europaparlaments nicht. Über Sanktionen müssen EU-Staaten einstimmig entscheiden.