Am Himmel sei ein Feuerball zu sehen gewesen, berichtete eine Reporterin aus dem Zentrum. Womöglich war die ukrainische Luftabwehr aktiv gegen neue russische Raketenangriffe. Bestätigt wurde dies nicht. Es war zunächst auch unklar, ob es wie vor einer Woche Zerstörungen gab.
Details folgten später, sagte Klitschko. Andrij Jermak, Chef des ukrainischen Präsidentenstabs, schrieb in der Messaging-App Telegram von Angriffen mit Kamikaze-Drohnen. "Die Russen denken, dass es ihnen helfen wird", sagte Jermak.
Raketen als Vergeltung
Vor einer Woche hatte Russland mit Raketen ebenfalls zum Wochenbeginn im Berufsverkehr am Morgen das Zentrum von Kiew beschossen. Zuvor war es zu einer Explosion auf der Brücke zu der von Moskau annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim gekommen. Kremlchef Wladimir Putin hatte dem ukrainischen Geheimdienst einen "Terroranschlag" gegen die Brücke vorgeworfen - und dann die Raketen als Vergeltung abschießen lassen. Dabei starben in Kiew und anderen Städten in der Ukraine mehr als ein Dutzend Menschen, mehr als 100 wurden verletzt.
Putin hatte am vergangenen Freitag gesagt, es seien bei den Angriffen nicht alle Ziele getroffen worden. Zugleich betonte er, dass er neue massive Schläge wie vor einer Woche nicht für nötig halte. Putin lässt Kiew und viele andere Städte seit Beginn seines Krieges gegen die Ukraine am 24. Februar immer wieder mit Raketen beschießen.
"Operation" werde zu Ende gebracht
Rund acht Monate nach dem Einmarsch in die Ukraine will Russland trotz militärischer Rückschläge seine Kriegsziele unbeirrt weiterverfolgen. Die militärische "Operation" werde zu Ende gebracht, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Sonntag im Staatsfernsehen. Das werde zwar erschwert von der Hilfe westlicher Staaten für die Ukraine. Aber Russland habe genug Potenzial zur Fortsetzung des Einsatzes. Er sagte, die NATO sei "de facto" schon in den Konflikt involviert.
Präsident Wladimir Putin hatte die russische Invasion Ende Februar mit einer angeblichen Bedrohung durch das Nachbarland begründet. Als Ziele gab er die "Entmilitarisierung" und "Entnazifizierung" der Ukraine an. Außerdem soll das Land einen neutralen Status behalten und die Gebiete Donezk, Luhansk sowie die seit 2014 besetzte Halbinsel Krim aufgeben.
Die NATO-Staaten betonen, keine Kriegspartei zu sein. Die Hilfe für die Ukraine gilt als Unterstützung des Selbstverteidigungsrechts des Landes, das in die EU und die NATO strebt.
Der Politikwissenschafter Gerhard Mangott glaubt, dass die russischen Streitkräfte ihre Raketenangriffe auf kritische Infrastruktur in der Ukraine weiter fortsetzen werden. Russland wolle dadurch einerseits die Ukraine unter Druck setzen, anderseits aber auch die Europäische Union, indem es darauf setze, dass diese Angriffe eine neue Flüchtlingswelle auslösen, so der Russland-Experte am Sonntag im "Zib2"-Interview.
Putin habe die Bombardierungen auf Druck der rechten Nationalisten angeordnet, die ihm vorwerfen, dass er den Krieg in der Ukraine zu zögerlich führe. Zudem könne so auch die ukrainische Wirtschaft weiter geschädigt werden, so der Russland-Experte. Die ukrainische Wirtschaft sei heuer schon um 35 Prozent eingebrochen, weitere Schäden an der Infrastruktur und der Mangel an Arbeitskräften, ausgelöst durch neue Fluchtbewegungen, würden die Wirtschaft nur weiter schädigen, zeigt sich Mangott überzeugt. Dennoch sei die Moral in der Ukraine sehr hoch.
Nach Angaben des Generalstabs der ukrainischen Streitkräfte beschossen russische Streitkräfte weiterhin ukrainische Stellungen an mehreren Fronten, darunter Städte in den Regionen Charkiw, Donezk und Cherson. Die schwersten Kämpfe fänden nördlich von Bachmut statt, schrieb der ukrainische Militärexperten Oleh Schdanow in der Nacht auf Montag im Internet.
Die ukrainischen Streitkräfte hätten in den vergangenen 24 Stunden russische Vorstöße auf die Städte Torske und Sprine zurückgeschlagen. "(Die Russen) haben beschlossen, durch Torske und Sprine zu ziehen." Die Frontlinie verschiebe sich ständig. "Unser Kommando verlegt Verstärkungen dorthin, Männer und Artillerie, um der russischen Überlegenheit in diesen Gebieten zu begegnen."
Das Rote Kreuz wehrte sich unterdessen gegen Kritik aus Kiew, dass es zahlreiche Kriegsgefangene noch nicht besucht hat. Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuletzt umgehende Besuche verlangt. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) sei dazu moralisch verpflichtet. Dieses teilte am Sonntagabend mit: "Es hilft weder den Kriegsgefangenen noch ihren Familien, wenn dem IKRK die Schuld dafür gegeben wird, dass ihm der uneingeschränkte und sofortige Zugang verweigert wird."#
Elf Mitarbeiter, darunter ein Arzt, stünden in der von Russland besetzten Region Donezk für solche Besuche bereit, hätten aber bisher keine Erlaubnis erhalten. Diese müsse von den beteiligten Staaten kommen. Sie seien nach den Genfer Konventionen verpflichtet, dem IKRK Zugang zu gewähren. Das IKRK verlange seit fast acht Monaten vergeblich, sämtliche Orte, an denen Kriegsgefangene interniert seien - darunter das Gefangenenlager Oleniwka - ungehindert und regelmäßig besuchen zu können.
Besuche in Gefangenenlagern gefordert
"Kriegsgefangene und ihre Familien verdienen diesen Hoffnungsschimmer und die Menschlichkeit in den Qualen eines bewaffneten Konflikts", teilte das IKRK mit. "Unsere Entschlossenheit ist ungebrochen. Wir werden niemals aufhören, Zugang zu Kriegsgefangenen zu fordern, bis wir sie alle nicht nur einmal, sondern wiederholt sehen können, wo auch immer sie festgehalten werden."
Am Freitag hatte das IKRK berichtet, dass es hunderte Kriegsgefangene auf beiden Seiten gesehen habe, aber vermutlich tausende weitere nicht. Es appellierte an beide Seiten, Russland und die Ukraine, diese Besuche zu ermöglichen.
Oleniwka liegt auf russisch besetztem Gebiet in Donezk. Wie viele Menschen dort festgehalten werden, ist unklar. Im Juli waren dort mehr als 50 Gefangene bei einer Explosion getötet worden. Russland und die Ukraine geben sich gegenseitig die Schuld daran.