"Wir tun alles, um noch mehr feindliche Raketen und Drohnen abzuschießen und weitere Abschusspositionen der russischen Armee zu neutralisieren", sagte Selenskyj am Samstagabend in seiner täglichen Ansprache. "Es wird sicher der Tag kommen, an dem unser Staat diese Aufgabe zu 100 Prozent erfüllen wird können."

Selenskyj berichtete nach Angaben der Agentur Ukrinform, dass Russland weiterhin mit Raketen und iranischen Kamikaze-Drohnen angreife. Einige davon habe man abschießen können. Zuvor hatte die ukrainische Armee von vier Raketenangriffen, 17 Luftangriffen und zehn Raketenwerfer-Angriffen am Samstag berichtet. Dies ist eine deutlich niedrigere Intensität als am Montag, als mehr als 80 Raketen und Marschflugkörper auf das Land abgefeuert worden.

Aufruf zum Strom sparen

Russland hat seit Beginn dieser Woche den Beschuss des ukrainischen Hinterlandes verstärkt und zielt vor allem auf die Zerstörung der Energie- und Wasserversorgung. So wurde am Samstag eine Anlage zur Energieversorgung im Umland der Hauptstadt Kiew durch einen Raketentreffer schwer beschädigt. Der Energieversorger Ukrenerho rief die Bürger auf, am Abend Strom zu sparen. Damit sollten Notabschaltungen verhindert werden. Am Abend gaben die Behörden Entwarnung und dankten den Bürgern für die Disziplin. Man habe die Stromversorgung stabilisieren können, und es seien keine Abschaltungen geplant, berichtete die Agentur Ukrinform.

Wegen der Angriffe aus der Luft war in der gesamten Ukraine in der Früh zeitweise Luftalarm ausgelöst worden. Auch in der frontnahen Stadt Saporischschja wurden nach Behördenangaben Industrie- und Energieanlagen getroffen. Die Druckwelle einer Explosion habe zudem 16 Wohngebäude beschädigt. Verletzte gebe es aber nicht. Laut der Armee wurden am Samstag mehr als 20 Siedlungen durch Angriffe getroffen, darunter Kostjantyniwka im Donezker Gebiet im Osten der Ukraine und Iwaniwka im Gebiet Cherson.

Russische Quellen berichteten am Samstag von ukrainischem Beschuss auf die Stadt Donezk und auf Nowa Kachowka am Unterlauf des Flusses Dnipro (Dnepr). In Donezk sei eine Frau getötet worden. Unabhängige Bestätigungen für diese Angaben gab es nicht.

Öldepot ging in Flammen auf

Unterdessen ging in der russischen Grenzregion Belgorod nach einem Bombardement neuerlich ein Öldepot in Brand auf. "Wir werden wieder beschossen. Eine der Granaten hat das Öldepot in der Region Belgorod getroffen", erklärte der Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow. Die Einsatzkräfte seien an Ort und Stelle, es bestehe "kein Risiko", dass das Feuer sich ausbreite, hieß es weiter. Auf einem vom Gouverneur veröffentlichten Foto waren Flammen und Schwaden schwarzen Rauchs zu sehen, die über einem Gebäude aufstiegen.

Die ukrainische Armee hat nach russischen Informationen einen neuen Angriff zur Befreiung des besetzten Gebietes Cherson im Süden des Landes begonnen. Allerdings gingen die Angaben am Samstag auseinander. Der Vizechef der Besatzungsverwaltung, Kirill Stremussow, sagte, es habe lediglich Artilleriefeuer gegeben. Das russische Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, die Attacke sei abgewehrt worden. Dagegen berichteten russische Militärblogger von andauernden erbitterten Kämpfen. Die ukrainische Armee setze viele Panzer und Panzerfahrzeuge ein.

Ziel der Angriffe seien die Orte Dudtschany und Mylowe, um das von russischen Truppen besetzte Gebiet am nordwestlichen Ufer des Dnipro weiter zu verkleinern. Mögliche Rückzugswege der Russen über den Fluss hat die Ukraine mit Artilleriefeuer aus der Ferne in den vergangenen Wochen systematisch abgeschnitten.

Operationen im Süden

Die ukrainische Armee machte unbestimmte Angaben zu den Operationen im Süden. Demnach gab es "110 Feuermissionen" durch Raketen und Artillerie sowie zwei Luftangriffe, die sich insbesondere gegen Luftabwehrstellungen des Feindes gerichtet hätten, hieß es nach Angaben der Agentur Ukrinform. Die Lage sei gespannt, aber unter Kontrolle. Es seien mehrere russische Drohnen abgeschossen worden, vor der Küste seien elf russische Kriegsschiffe lokalisiert worden. Die Schiffe zum Getreideexport würden aber planmäßig verkehren, allein am Samstag hätten sieben Schiffe mit 101.000 Tonnen Lebensmittel an Bord ukrainische Häfen verlassen.

Russland hat unterdessen die ersten Soldaten für die am Montag angekündigte gemeinsame Truppe mit Belarus in das Nachbarland geschickt. Das belarussische Verteidigungsministerium in Minsk bestätigte am Samstag die Ankunft mehrerer Eisenbahnzüge mit russischen Soldaten. Angaben zu den aktuellen Zahlen der Truppenverlegung oder zur künftigen Stärke der Gemeinschaftstruppe wurden nicht gemacht. Russland hat Belarus als Aufmarschgebiet für den Krieg gegen die Ukraine genutzt und startet von dort auch Luftangriffe auf ukrainische Ziele. Ein eigenes Eingreifen von Belarus in den Krieg wird von Militärbeobachtern bisher für wenig wahrscheinlich gehalten.