Es waren Tage der nationalen Euphorie, als Wladimir Putin 2018, vier Jahre nach der russischen Besetzung der Krim, die Brücke einweihen konnte, die das russische Festland und die Krim verbindet. Höchstpersönlich setzte er sich in eines der orangen Baustellen-Fahrzeuge, um sein wohl wichtigstes Prestige-Projekt zu eröffnen.

Jetzt gehen Bilder um die Welt, die zeigen, dass es auf der Eisenbahnbrücke brennt und dass auf dem Straßenteil der Brücke ein Abschnitt schwer beschädigt und eingestürzt ist. Ein Schlag ins Gesicht des russischen Staatschefs - zu seinem 70. Geburtstag.

Noch ist unklar, auf welche Weise genau dies geschah und wer dahinter steht. Russland spricht von einem Brand in einem Treibstoffwaggon. Spekulationen reichen von einem ukrainischen Sabotage-Akt, um den Krieg angesichts der begonnenen russischen Mobilmachung rascher zu entscheiden, bis zu einem Täuschungsmanöver russischer Kräfte, um Putin im internen Machtkampf zu schaden. Zweiteres erscheint allerdings unwahrscheinlich: Die Brücke spielt eine zentrale Rolle für die Versorgung der russischen Truppen an der Front im Süden der Ukraine.

Sicher ist in jedem Fall: Dieses Ereignis wird Wladimir Putin in Moskau massiv unter Druck bringen. Denn die Botschaft ist klar: Der Kreml-Chef verliert zunehmend die Kontrolle über die besetzten Gebiete. Schon in den letzten Wochen war es schwierig geworden, die beinahe täglichen Niederlagen, die seine Armee in der Ukraine hinnehmen musste, von der Öffentlichkeit fernzuhalten. Vor allem die Falken innerhalb der russischen Elite hatten immer offener Putin selbst und seinen Verteidigungsminister Schoigu kritisiert. Und auch die Forderungen nach einem Einsatz von Nuklearwaffen waren noch lauter geworden, als sie es ohnehin schon seit Wochen sind.



Putins Brückeneinweihung 2018:

Mit den Flammen auf der Krim-Brücke geht der Krieg in seine bisher heikelste Phase. Welche Folgen dies haben wird, ist völlig offen - das Eskalationspotential ist nach oben hin offen. Auf frühere Explosionen auf russische Luftwaffenbasen auf der Krim selbst und auch auf den Untergang seines Flaggschiffes hatte Putin nur wenig reagiert. Doch mit der Krim-Brücke steht sein Verbleib an der Macht auf dem Spiel. Die USA haben Moskau die letzten Wochen mehrfach mitgeteilt, dass ein Nuklearwaffeneinsatz nicht ungestraft bliebe. Amerikanische Ex-Generäle erklärten für alle Welt gut hörbar, dass Russland aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer - nicht-nuklearen - Zerstörung seiner Schwarzmeerflotte und all seiner Truppen in der Ukraine rechnen müsste. Zugleich würde das aber bedeuten, dass die USA und die Nato in den Krieg eintreten, was Biden auf keinen Fall will. Bleibt zu hoffen, dass die Abschreckung funktioniert, wie sie es bisher schon tat. Sehr wahrscheinlich ist, dass hinter den Kreml-Türen heftige Kämpfe ausbrechen.