Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat neue Angriffe auf das von russischen Truppen besetzte Gebiet in der Ukraine angekündigt. "Vielleicht erscheint es irgendjemandem unter Ihnen so, dass nach einer Reihe von Siegen Stille eingetreten ist, doch das ist keine Stille", sagte Selenskyj am Sonntag in seiner täglichen Videoansprache. Vielmehr sei es die Vorbereitung auf die nächste Offensive, deren Ziel die Rückeroberung von Mariupol, Melitopol und Cherson sei.
Nach Angaben Selenskyjs wird sich die Ukraine dabei nicht nur auf die Gebiete konzentrieren, die es vor dem russischen Überfall im Februar kontrollierte. Auch die Territorien der von Moskau unterstützten Separatisten im Osten des Landes und Städte auf der seit 2014 von Russland annektierten Krim würden zurückerobert, kündigte der 44-Jährige an. "Denn die gesamte Ukraine muss frei sein."
Russland hat nach seinem Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar große Gebiete im Süden und Osten des Landes erobert. Derzeit hält Moskau immer noch rund 125.000 Quadratkilometer besetzt – das ist etwa ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebietes inklusive der Halbinsel Krim.
Angriff auf AKW
Unterdessen meldete die Ukraine russische Angriffe auf das Atomkraftwerk Piwdennoukrajinsk im Süden des Landes. Alle drei Reaktoren des AKW blieben aber unbeschädigt und funktionierten normal, teilte der staatliche Betreiber Energoatom am Montag weiter mit. Eine Detonation habe es 300 Meter entfernt von den Reaktoren gegeben. Dabei seien Gebäude beschädigt worden, außerdem seien durch den Angriff Schäden an einem Wasserkraftwerk in der Nähe entstanden.
Luftwaffe unter Druck
Die russische Luftwaffe gerät im Krieg gegen die Ukraine nach britischer Einschätzung zunehmend unter Druck. In den vergangenen zehn Tagen habe Russland offensichtlich vier Kampfjets verloren und damit insgesamt 55 Maschinen seit Beginn des Angriffs Ende Februar. Das teilte das Verteidigungsministerium in London am Montag unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Die ukrainische Armee berichtete am Montag von einem weiteren abgeschossenen Kampfjet über Cherson.
Der Anstieg der Verluste sei womöglich teilweise darauf zurückzuführen, dass die russische Luftwaffe ein größeres Risiko eingehe, um Bodentruppen unter dem Druck ukrainischer Vorstöße aus nächster Nähe zu unterstützen, hieß es in der britischen Expertise weiter. Hinzu komme das schlechte Situationsbewusstsein russischer Piloten. Einige Flugzeuge seien wegen der sich schnell bewegenden Front über ukrainisch kontrolliertem Gebiet in dichtere Luftverteidigungszonen geraten. "Russlands andauernder Mangel an Luftüberlegenheit bleibt einer der wichtigsten Faktoren, die die Fragilität seines operativen Designs in der Ukraine untermauert", betonte das Ministerium.
Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.
Wie die ukrainische Armee auf Telegram mitteilte, schoss eine Luftabwehrrakete gegen 8.00 Uhr Ortszeit (07.00 Uhr MESZ) einen Kampfjet des Typs Su-25 in der Region Cherson ab. Dort ist derzeit eine ukrainische Offensive zur Rückeroberung im Gange.