Nach Einschätzung britischer Geheimdienste soll Russland zur Stärkung seiner Offensive in der Ukraine Freiwillige für ein neues Armeekorps rekrutieren. Den Rekruten - Männern bis zum Alter von 50 und mit zumindest mittlerem Schulabschluss - würden lukrative Boni angeboten, hieß es am Mittwoch in einem Update des britischen Verteidigungsministeriums. Es sei allerdings unwahrscheinlich, dass es den Ukraine-Krieg entscheidend beeinflussen werde, hieß es weiter aus London.
Neues Korps unter den Standards?
Es werde den Russen voraussichtlich nicht gelingen, das neue Korps auf die übliche Truppenstärke von 15.000 bis 20.000 zu bringen. Hauptquartier der neuen Einheit, die von den Briten als "3rd Army Corps (3AC)" bezeichnet wird, soll Mulino, eine Siedlung im Gebiet Nischni Nowgorod östlich von Moskau, sein.
Durch nächtlichen Raketenbeschuss sind im ukrainischen Gebiet Dnipropetrowsk offiziellen Angaben zufolge mindestens 13 Menschen ums Leben gekommen. Das teilte der Chef der regionalen Militärverwaltung, Walentyn Resnitschenko, am Mittwoch auf seinem Telegram-Kanal mit. Zunächst hatte er von elf getöteten Zivilisten gesprochen, später teilte er mit, dass zwei weitere Menschen ihren Verletzungen erlegen seien. Die beiden getroffenen Orte liegen dem zuletzt mehrfach beschossenen Akw Saporischschja gegenüber.
Sie liegen am anderen Ufer des hier zum Stausee geformten Fluss Dnipro. Am schwersten traf es demnach die Kleinstadt Marhanez. In der Stadt seien 20 mehrgeschossige Gebäude durch den Raketenbeschuss beschädigt worden, darunter der Kulturpalast, zwei Schulen und ein Wohnheim. Zehn Menschen seien in der Stadt getötet worden, elf weitere verletzt, sieben davon schwer, teilte Resnitschenko mit. Auch in einem Dorf unweit der Großstadt Nikopol gab es Tote.
AKW als Schutzschild?
Die beiden Orte liegen nördlich des zum Fluss Dnipro gehörenden Kachowka-Stausees. Auf dessen Südseite, weniger als 20 Kilometer entfernt, befindet sich das von russischen Kräften kontrollierte Atomkraftwerk Saporischschja. Die Ukraine hat russischen Truppen in der Vergangenheit mehrfach vorgeworfen, das AKW als Schutzschild für eigene Artillerie- und Raketenangriffe zu missbrauchen. Nachdem am Wochenende die Nuklearanlage selbst unter Beschuss geriet und beschädigt wurde, geben sich beide Seiten die Schuld für die Vorfälle. Unabhängig lassen sich die Berichte nicht überprüfen.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen soll sich nun auch auf Dringen Russlands mit der Lage im Akw Saporischschja befassen. Die Regierung in Moskau habe darum gebeten, dass der Chef der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA), Rafael Grossi, den UNO-Sicherheitsrat am Donnerstag über "Angriffe der ukrainischen Streitkräfte auf das Kernkraftwerk Saporischschja und deren mögliche katastrophale Folgen" unterrichtet, hieß es aus Diplomatenkreisen. IAEA-Techniker sollen den Zustand des größten Atomkraftwerks Europas überprüfen. Die Ukraine hatte bereits am Montag die Inspektion der von russischen Soldaten besetzten Anlage gefordert.