Nach dem Beschuss einer Anstalt für Kriegsgefangene mit über 40 Toten im Donezker Separatistengebiet in der Ukraine geben sich Moskau und Kiew gegenseitig die Schuld. "Es ist offensichtlich ein bewusster Beschuss und der Wunsch, diejenigen Vertreter, darunter des Asow-Regiments, zu vernichten, die angefangen haben, Geständnisse abzulegen", behauptete Separatistenführer Denis Puschilin. Kiew sprach von einer gezielten "Provokation, für die Russland verantwortlich ist".
Die russische Armee habe "ein weiteres entsetzliches Kriegsverbrechen begangen und eine Haftanstalt im besetzten Oleniwka bombardiert, in der sie ukrainische Kriegsgefangene gefangen hielt", schrieb der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba am Freitag auf Twitter.
Keiner will es gewesen sein
Auch der ukrainische Generalstab bestritt einen Angriff seiner Truppen auf das Gefängnis und erklärte, für den Tod der Kriegsgefangenen sei Russland verantwortlich. "Die Streitkräfte der Russischen Föderation haben gezielt mit Artillerie eine Justizvollzugsanstalt in der Siedlung Oleniwka im Gebiet Donezk beschossen, in der auch ukrainische Gefangene festgehalten wurden", erklärte der Generalstab. "Auf diese Weise haben die russischen Besatzer ihre kriminellen Ziele verfolgt - die Ukraine des Begehens von 'Kriegsverbrechen' zu beschuldigen sowie die Folter von Gefangenen und Hinrichtungen zu verschleiern."
Nach Angaben eines pro-russischen Separatistenvertreters wurde die Haftanstalt, in der die moskautreuen Truppen ukrainische Kriegsgefangene gefangen halten, durch Mehrfachraketenwerfer vom Typ HIMARS beschossen. Unabhängig waren die Angaben nicht zu überprüfen.
Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte am Freitag seinerseits mit, es seien 40 Menschen getötet und 75 weitere verwundet worden. Zudem seien acht Gefängnismitarbeiter verletzt. Der Separatistenvertreter hatte von mindestens 130 Verletzten gesprochen. "Diese skandalöse Provokation zielt darauf ab, den ukrainischen Soldaten Angst zu machen und sie von der Kapitulation abzuhalten", erklärte das russische Verteidigungsministerium. Das russische Staatsfernsehen zeigte Aufnahmen von verkohlten Baracken. Opfer waren nicht zu sehen.
In Oleniwka werden viele ukrainische Soldaten gefangen gehalten, die den moskautreuen Truppen bei der Eroberung der Hafenstadt Mariupol drei Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs in die Hände gefallen sind. Darunter sind auch Kämpfer des nationalistischen Asow-Regiments. Die Separatisten haben diesen unter dem Vorwurf von Kriegsverbrechen mit der Todesstrafe gedroht. Medienberichten zufolge sind die Haftbedingungen in Oleniwka unmenschlich.
Kiew wieder unter Raketenbeschuss
Bei einem russischen Raketenangriff auf die ukrainische Hauptstadt Kiew sind laut dem Gouverneur der Region, Oleksiy Kuleba, fünfzehn Menschen verletzt worden. Raketen schlugen in Militäreinrichtungen am Rande von Kiew ein, sagte er Telegram. Nach Angaben der Online-Zeitung "Ukrajinska Prawda" seien auch Zivilistinnen und Zivilisten unter den Verletzten.
Bei einem Raketenangriff auf das zentralukrainische Gebiet Kropywnyzkyj südlich von Kiew wurden der Gebietsverwaltung zufolge am Donnerstag mindestens fünf Menschen getötet und 26 weiter verletzt.
Mehr als zehn russische Raketen schlugen auch in der Region Tschernihiw nordöstlich von Kiew ein, wie der dortige Gouverneur dem ukrainischen Fernsehen mitteilte. Wie Kiew ist auch Tschernihiw seit Wochen nicht mehr angegriffen worden.
Fortschritte in Cherson
Die Ukraine macht nach eigenen Angaben und nach Einschätzung des britischen Geheimdienstes Fortschritte bei ihren Bemühungen um die Rückeroberung von Teilen der Südukraine. Im Gebiet Cherson sei es dem ukrainischen Militär dank vom Westen gelieferter Artilleriegeschütze gelungen, mindestens drei Brücken über den Dnipro zu beschädigen. Das erschwere Moskau die Versorgung der besetzten Gebiete und mache die russische 49. Armee am Westufer des Dnipro äußerst verwundbar.