Die EU will weitere 500 Millionen Euro für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte zur Verfügung stellen. Das kündigte EU-Ratspräsident Charles Michel am Montag nach Beratungen der Außenminister der EU-Staaten in Brüssel an. Mit der neuen Unterstützung erhöhen sich die für die Ukraine zur Verfügung gestellten EU-Mittel für Militärhilfe auf 2,5 Milliarden Euro. Die EU-Außenminister berieten über neue Sanktionen.
Kritik an Sanktionspolitik
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sieht in europäischen Hauptstädten zunehmende Zweifel an der Sanktionspolitik gegen Russland. "Einige europäische Staats- und Regierungschefs haben gesagt, die Sanktionen seien ein Fehler", sagte der Spanier am Montag am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel. Es gebe eine große Debatte darüber, ob die Sanktionen wirksam seien und die EU mehr träfen als Russland.
Zugleich machte Borrell deutlich, dass er die Diskussion für falsch hält. Er warf Kritikern der Sanktionen Falschinformationen vor. Es gebe beispielsweise Leute, die behaupteten, dass das Öl-Embargo zu einem Anstieg des Öl-Preises geführt habe, sagte der EU-Chefdiplomat. Dabei sei der Ölpreis nach der Verabschiedung des Embargos gesunken und derzeit auf dem gleichen Niveau wie vor dem Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine.
"Ich wünsche mir, dass Menschen eine Zahl hinter jedes ihrer Argumente stellen", sagte Borrell. Die russischen Wirtschaftsdaten zeigten, wie die Sanktionen wirkten - so zum Beispiel die zur Produktion von Autos und Maschinen seit Beginn des Krieges.
"Mit Augenmaß vorgehen"
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) betonte am Montag, es gehe um Nachschärfungen und das Stopfen von Schlupflöchern, "es geht nicht um ein weiteres Sanktionenpaket". In Hinblick auf die Gasversorgung müsse man "mit Augenmaß vorgehen". Die EU-Sanktionen gegen Russland würden aber langfristig wirken, sagte er.
"Ich weiß, dass es eine zunehmende Diskussion auch innerhalb Europas gibt, was die Sanktionen betrifft", betonte der Minister. Die Sanktionen seien "keine Maßnahme mit Instantwirkung", sondern mit Langzeitwirkung. Man dürfe nicht in die Falle tappen und das russische Narrativ aufgreifen, wonach die Sanktionen nicht wirken würden. Man rechne mit einem Einbruch der russischen Wirtschaft um zehn Prozent, während die EU noch immer ein knapp über 2-prozentiges Wachstum vorsehe.
Zu den EU-Sanktionen gegen Russland infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sieht Schallenberg keine Alternative. Es gehe um die Frage: "Wollen wir eine Welt, die auf Regeln basiert, oder wollen wir das Gesetz des Dschungels?" Wenn die EU nichts tue und nur zuschaue, würde man zur Kenntnis nehmen, dass die UNO-Charta und internationales Recht mit Füßen getreten würden.
Schallenberg zufolge dürfe sich die EU jetzt nicht auseinanderdividieren lassen, sondern müsse "Nerven bewahren" und "strategisch langen Atem zeigen". Ein rasches Ende des Kriegs sei nicht in Sicht, es sei "ein langer schmerzhafter, mühsamer Abnutzungskrieg". Für Österreich sei klar, dass die Sanktionen Russland treffen müssten, und dies "nicht wie ein Bumerang auf uns zurückfällt".
Preisobergrenze für russisches Öl
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba begrüßte die EU-Pläne für weitere Russland-Sanktionen, zugleich aber für zusätzliche Maßnahmen geworben. Konkret sprach sich Kuleba am Montag in einer Videokonferenz mit den EU-Außenministern dafür aus, Entscheidungen zu einer Preisobergrenze für russisches Öl zu beschleunigen. Zudem forderte er, die maritime Logistik Russlands ins Visier zu nehmen und alle russischen Fernsehsender aus europäischen Kabel- und Satellitennetzen zu verbannen.
"Es geht nicht um die Meinungsfreiheit, sondern darum, Russland Mittel zur Verbreitung von Desinformation und staatlicher Propaganda zu entziehen", sagte Kuleba. Zudem wiederholte er Forderungen nach EU-Sanktionen gegen russische Gasimporte. Diese waren bisher nicht durchsetzbar wegen der großen Abhängigkeit einzelner Länder von russischem Gas, darunter auch Deutschland.
Mit Blick auf Waffenlieferungen forderte Kuleba für sein Land vor allem weitere Artillerie mit größerer Reichweite und Luftverteidigungssysteme. Zudem dankte er den Ministern, dass sie den Weg für weitere 500 Millionen Euro für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte ebneten. Mit der neuen Unterstützung erhöhen sich die für die Ukraine zur Verfügung gestellten EU-Mittel für Militärhilfe auf 2,5 Milliarden Euro.
FPÖ kritisiert Waffenlieferungen
Kritik an der Entscheidung für weitere Waffenlieferungen kam von der FPÖ. "Die heute von EU-Ratspräsident Charles Michel angekündigte Fortsetzung der Waffenlieferungen in die Ukraine zieht die EU wieder ein Stück tiefer in den Krieg hinein und verlängert das Leid der Menschen - nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Österreich", kommentierte FPÖ-Europasprecherin Petra Steger in einer Aussendung vom Montag.
"Mittlerweile sind die Auswirkungen der verfehlten EU-Sanktionspolitik, die zu einer massiven Beschleunigung der Teuerungswelle führen, quer durch Europa spürbar. Während auf der einen Seite die Energiekosten explodieren, werden auf der anderen Seite unsere vorhandenen Öl- und Gasreserven immer leerer, wodurch sich unsere Versorgungssicherheit in ernster Gefahr befindet", so Steger.
Einfuhrverbot für russisches Gold geplant
Die EU-Außenminister berieten über die Vorschläge der Europäischen Kommission. Wenn es keine Einwände gibt, soll bereits am Mittwoch das schriftliche Beschlussverfahren eingeleitet werden. Die Strafmaßnahmen könnten so noch diese Woche in Kraft treten. Geplant ist ein Einfuhrverbot für russisches Gold. Auch Exportkontrollen für Spitzentechnologie und militärisch nutzbare zivile Güter sollen verschärft werden.
Weitere Personen und Organisationen, die den russischen Krieg gegen die Ukraine unterstützen, müssen damit rechnen, dass von ihnen Vermögenswerte eingefroren werden. Nicht auf der Tagesordnung steht hingegen ein Embargo auf die Einfuhr von russischem Gas, der Haupteinnahmequelle des Aggressors. Mehrere stark von russischen Gaslieferungen abhängige Staaten, darunter Österreich, lehnen eine solche Maßnahme ab.