Im ostukrainischen Gebiet Charkiw sind offiziellen Angaben zufolge durch russischen Artilleriebeschuss mindestens acht Zivilisten getötet worden. Weitere 19 seien verletzt worden, teilte Gouverneur Oleh Synjehubow am Montag im Nachrichtenkanal Telegram mit. Unter den Todesopfern war demnach ein 13-jähriges Kind und unter den Verletzten zwei Kinder zwischen vier und neun Jahren. Das Asow-Regiment spricht zudem von einem russischen Giftgas-Angriff in Mariupol.

Der öffentliche-rechtliche ukrainische TV-Sender Suspilne berichtete aber, es gebe keine Bestätigung durch offizielle Stellen. Zwar hielten Militärquellen die Wahrscheinlichkeit eines Chemiewaffenangriffs durch die russische Seite für "sehr hoch". Der Sender bemühe sich um eine Bestätigung durch Militär oder Geheimdienst. Den Asow-Angaben zufolge litten die getroffenen Personen unter Atembeschwerden und Bewegungsstörungen.

Auch ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums sagte, es gebe keine Bestätigung für den Einsatz von Chemiewaffen. Sollten die Berichte stimmen, wäre das sehr beunruhigend. Es passe zu Befürchtungen, dass Russland in der Ukraine chemische Mittel zur Unterdrückung großer Menschenmengen einsetzen könnte, so etwa Tränengas gemischt mit anderen Chemikalien, sagte Sprecher John Kirby.

Lage in Mariupol spitzt sich immer weiter zu

Nach Angaben westlicher Militärexperten spitzt sich die Lage in Mariupol zu. Russische Kräfte hätten die ukrainischen Verteidiger zurückgedrängt. Die Ukrainer haben sich unter anderem in dem Stahlwerk Asowstal verschanzt. Der Militärsprecher der prorussischen Separatisten von Donezk, Eduard Bassurin, sagte, eine Einnahme der unterirdischen Befestigungen auf dem Fabrikgelände wäre zu verlustreich. Deshalb solle man auf chemisch bewaffnete Truppen setzen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verwies in seiner nächtlichen Videoansprache auf diese Drohung. "Wir nehmen das höchst ernst." Ein möglicher Chemiewaffenangriff sollte für ausländische Staaten Anlass sein, noch härter auf die russische Aggression zu reagieren, sagte Selenskyj. Er sagt aber nicht, dass bereits chemische Waffen eingesetzt wurden.

Die westlichen Staaten haben Moskau vor ernsthaften Konsequenzen gewarnt, falls es in dem vor fast sieben Wochen begonnenen Krieg Chemiewaffen oder andere Massenvernichtungswaffen einsetzen sollte. Nach den Berichten aus Mariupol schrieb die britische Außenministerin Liz Truss auf Twitter, man arbeite mit Partnern daran, Details zu verifizieren. Jeder Einsatz solcher Waffen wäre eine Eskalation, für die man den russischen Präsidenten Wladimir Putin und seine Führung zur Verantwortung ziehen werde.

Russland hat im Syrien-Krieg nicht selbst Chemiewaffen eingesetzt, aber den nachgewiesenen Abwurf von Bomben mit Giftgas durch die syrische Regierung gedeckt und abgestritten.