Die Europäische Union wird nach französischen Angaben neue Sanktionen gegen Russland beschließen. Anlass seien die Berichte über getötete Zivilisten, sagt Europaminister Clément Beaune dem Radiosender RFI. "Die neuen Sanktionen werden wahrscheinlich morgen verabschiedet", sagte er am Dienstag gegenüber dem Radiosender RFI. Die EU-Kommission schlägt einem Insider zufolge unter anderem ein Kohle-Importembargo vor.
Nach Angaben von Diplomaten hat die Kommission das Sanktionspaket noch am Dienstag den EU-Ländern vorgelegt. Diese müssen dann darüber abstimmen. Das Sanktionspaket dürfte außerdem bisherige Maßnahmen ausweiten und Schlupflöcher stopfen, damit die Sanktionen nicht umgangen werden können.
Fünf Milliarden Euro jährlich
Laut dem Insider solle die Einfuhr von Holz, Zement, Gummi, Chemikalien und Luxuslebensmitteln wie Kaviar und Spirituosen wie Wodka verboten werden. Dies umfasse ein Gesamtvolumen von fünf Milliarden Euro jährlich. Russische Lastwagen und Schiffe sollten zudem nicht mehr in die EU dürfen. Auch solle demnach der Export von Halbleitern, Hightech-Maschinen, bestimmter Flüssiggastechnik und anderer Ausrüstung verboten werden. Das Exportverbot habe ein Volumen von zehn Milliarden Euro.
Zudem wolle die Kommission alle Transaktionen mit der VTB-Bank und drei anderen Banken verbieten, die bereits vom internationalen Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen worden seien, sagte der Insider. Daneben würden zahlreiche weitere Russen auf die Sanktionsliste kommen. Dazu gehörten weitere Oligarchen, Militärvertreter und Politiker. Die geplanten neuen Sanktionen gegen Russland würden die dortige Wirtschaft treffen, sagten mehrere Top-Ökonomen zur Nachrichtenagentur Reuters.
Kein Importstopp von Gas
Von der österreichischen Regierung hieß es gegenüber der APA, dass wie schon in der Vergangenheit innerhalb der EU Einigkeit darüber bestehe, über weitere Sanktionen nicht im Voraus öffentlich zu diskutieren. "Dass Österreich einem fünften Sanktionspaket nicht im Wege stehen, sondern dieses vollumfänglich mittragen wird, ist hinlänglich bekannt", teilte eine Sprecherin der APA auf Anfrage mit.
Außenminister Alexander Schallenberg betonte in Berlin, dass ein Importstopp für russisches Gas nicht zur Debatte stehe. "Es wird nicht funktionieren", sagte er. "Eine Reihe von europäischen Staaten, nicht nur Österreich, können die russischen Gasimporte nicht über Nacht ersetzen." Die Möglichkeiten, die Sanktionsschraube weiter anzuziehen, seien auch ohne Energiemaßnahmen "viel größer". "Die Sanktionen dürfen nicht wie ein Bumerang auf uns selbst zurückfallen. Aber wir haben noch viele Pfeile im Köcher", sagte Schallenberg.
Deutschland offen für Verschärfungen
Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) unterstützt ein mögliches Importverbot für russische Kohle, wie die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag aus Kreisen des Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums erfuhr. "Wir sind offen für Verschärfungen von Sanktionen", sagte der deutsche Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Dienstag nach Beratungen der EU-Finanzminister in Luxemburg. "Es war ein Fehler Deutschlands, so stark abhängig zu werden von Energie-Importen aus Russland." Kohle und Öl seien schneller zu ersetzen als etwa Gas oder Rohstoffe wie Palladium, so Lindner.
Die EU hatte in vier vorherigen Sanktionspaketen unter anderem bereits Hunderte Personen auf Sanktionslisten gesetzt, auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin selbst. Dies bedeutet, dass sie nicht mehr in die EU einreisen dürfen und mögliche Vermögen in der EU eingefroren werden. Auch der russische Finanzsektor sowie die Zentralbank wurden bereits sanktioniert.
Die Berichte über die nach dem Abzug russischer Truppen aus der Region um Kiew gefundenen Toten in Butscha hatte weltweites Entsetzen ausgelöst. Russland wies alle Vorwürfe im Zusammenhang mit der Ermordung von Zivilisten, etwa im Kiewer Vorort Butscha, zurück. Russlands Ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen, Wassili Nebensja, sagte, Russland werde dem UNO-Sicherheitsrat am Dienstag "empirische Beweise" vorlegen, die zeigen, dass seine Streitkräfte nicht an den Gräueltaten beteiligt waren.