"Die Zeiten sind sehr finster und sehr schwierig und jeder, der eine staatsbürgerliche Haltung hat und der will, dass diese Haltung zur Kenntnis genommen wird, muss seiner Stimme Gehör verschaffen", sagte Marina Owsjannikowa am Sonntag in einem Interview mit dem US-Fernsehsender ABC. "Das ist sehr wichtig." Die 43-jährige Fernsehjournalistin hob hervor, dass es sich nicht um Russlands Krieg, sondern um einen Krieg von Kreml-Chef Wladimir Putin handle. "Das russische Volk ist wirklich gegen den Krieg, das ist Putins Krieg, nicht der Krieg des russischen Volkes", sagte Owsjannikowa.
Die russische Journalistin hatte am Montagabend während einer Livenachrichtensendung des Senders Perwy Kanal ein Protestplakat gegen Krieg und Lügenpropaganda in die Kamera gehalten. Darauf stand: "Stoppt den Krieg. Glaubt der Propaganda nicht. Hier werdet ihr belogen."
Im US-Sender ABC sagte sie nun über ihre Aktion, sie habe etwas tun wollen mit "mehr Wirkung und das mehr Aufmerksamkeit erregt", als Straßenproteste gegen den Ukraine-Krieg, gegen welche die russische Polizei massiv vorgeht.
"Ich konnte sehen, was in Wirklichkeit in der Ukraine passierte, und was die Programme meines Senders zeigten, war ganz anders." Mit ihrer "spontan" gestarteten Protestaktion habe sie diese "Propaganda" der russischen Regierung enttarnen wollen und "vielleicht Menschen ermutigen, dass sie den Krieg verurteilen", sagte die Journalistin.
Festnahme und Geldstrafe
Owsjannikowa war nach ihrer Protestaktion festgenommen und kurz drauf zu einer Geldstrafe von 30.000 Rubel (rund 250 Euro) verurteilt worden. Ihr Anwalt teilte nach dem Urteil jedoch mit, dass der Journalistin weiterhin ein Strafverfahren und eine lange Haftstrafe drohten. Frankreich bot der 43-jährigen Mutter Asyl an. Im Interview mit dem "Spiegel" versicherte Owsjannikowa aber, dass sie in ihrer Heimat bleiben wolle, obwohl sie dort nun "der Feind Nummer Eins" sei.
Anfang März hatte Putin ein Gesetz unterzeichnet, das drakonische Haftstrafen bei "Falschinformationen" über die russische Armee vorsieht. Außerdem haben die russischen Behörden seit Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine den Zugang zu Online-Medien und -Netzwerken massiv eingeschränkt.