Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat angesichts Wladimir Putins Angriffskrieges gegen die Ukraine die Bereitschaft ihres Landes zu einem stärkeren internationalen Engagement für Frieden und Sicherheit hervorgehoben. "Bei Fragen von Krieg und Frieden, bei Fragen von Recht und Unrecht kann kein Land, auch nicht Deutschland, neutral sein", sagte sie am Freitag zum Start der Arbeit an einer neuen Nationalen Sicherheitsstrategie für Deutschland.
Dies gelte besonders angesichts der deutschen Geschichte, betonte Baerbock. "Aus der deutschen Schuld für Krieg und Völkermord erwächst für uns, erwächst für mich in der Tat eine besondere Verantwortung", sagte Baerbock. Dies bedeute die Verpflichtung, "jenen zur Seite zu stehen, deren Leben, deren Freiheit und deren Rechte bedroht sind".
Der völkerrechtswidrige Krieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin konfrontiere mit einer neuen sicherheitspolitischen Wirklichkeit, sagte die Ministerin. Man spüre "eine Sehnsucht, die wir wahrscheinlich lange nicht – und vielleicht meine Generation noch nie so richtig gespürt hat: eine Sehnsucht nach Sicherheit", sagte die 41-Jährige. Für die künftige Sicherheitsstrategie gelte: "Im Lichte von Russlands massivem Bruch mit unserer Friedensordnung müssen wir die Prinzipien, die uns leiten, noch klarer in praktische Politik umsetzen."
Entscheidend seien eine klare Haltung, eine gestärkte Handlungsfähigkeit und geschärfte außen- und sicherheitspolitische Instrumente. Baerbock bekannte sich angesichts der russischen Drohungen auch zur nuklearen Abschreckung der Nato. Diese müsse "glaubhaft" bleiben. Ziel bleibe aber eine nuklearwaffenfreie Welt. Weiters nannte sie eine Stärkung der "Wehrhaftigkeit" Deutschlands sowie eine Verstärkung der Nato-Ostflanke.
Baerbock, in deren Ministerium die Sicherheitsstrategie federführend erarbeitet werden soll, kündigte an, den Prozess gemeinsam mit den anderen Ministerien der deutschen Regierung, fraktionsübergreifend im Deutschen Bundestag sowie mit nationalen und internationalen Partnern zu gestalten. Sicherheitspolitik sei mehr als Militär plus Diplomatie. Die deutsche Sicherheitsstrategie soll verknüpft werden mit entsprechenden Bemühungen auf EU- und auf Nato-Ebene. Bereits in ihrem Koalitionsvertrag hatte die Ampel-Regierung festgelegt: "Wir werden im ersten Jahr der neuen Bundesregierung eine umfassende Nationale Sicherheitsstrategie vorlegen."
Nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine hatte die deutsche Regierung innerhalb weniger Tage eine jahrzehntelange Prämisse umgestoßen, keine Waffen in Kriegsgebiete zu liefern. Nachdem sich Berlin im Vorfeld des Krieges entsprechenden Bitten aus Kiew verweigert hatte, wurde die Lieferung von Panzer- und Luftabwehrwaffen bewilligt.
Mit Blick auf China und dessen "Neue Seidenstraßen"-Initiative mit Handels- und Infrastrukturinitiativen in Afrika, Asien und Europa sagte Baerbock, auch Investitionen in Infrastruktur seien sicherheitsrelevant. Man könne nur eigenständig agieren, wenn man nicht komplett abhängig von anderen sei. So stellten sich angesichts von Investitionen Chinas in die Stromversorgung im indopazifischen Raum auch dort Fragen von Souveränität und territorialer Integrität. Die Bundesregierung arbeitet auch an einer neuen China-Strategie.