Zunächst hätten die Vertreter Moskaus nur "Ultimaten gestellt", sagte Selenskyj am Samstag bei einer Pressekonferenz. Mittlerweile habe man "angefangen zu reden". Er sei "froh", ein "Signal aus Russland erhalten" zu haben.

"Gewisse positive Veränderungen" 

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Freitag gesagt: "Da sind gewisse positive Veränderungen, haben mir unsere Unterhändler berichtet." Die Verhandlungen würden "nun auf fast täglicher Basis geführt".

Delegationen aus Kiew und Moskau waren in den vergangenen zwei Wochen drei Mal persönlich zu Gesprächen in Belarus zusammengekommen, zudem trafen sich die Außenminister der beiden Länder am Donnerstag im türkischen Antalya. Im Mittelpunkt vor allem der Verhandlungen in Belarus stand die Schaffung von Fluchtkorridoren für Zivilisten. Diese Verhandlungen würden per Videoschaltung fortgesetzt, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Samstag.

Selensky bedauerte, dass sich der Westen "nicht ausreichend" für diesen Ansatz engagiere. In Bezug auf Sicherheitsgarantien werde die Ukraine "nach diesem blutigen Krieg Russland nicht vertrauen können". Sicherheitsgarantien müssten von ausländischen Partnern angeboten werden.

Russlands Forderungen

Putin hatte in den vergangenen Tagen wiederholt erklärt, dass Russland zu einer Einstellung der Kampfhandlungen bereit sei. Im Gegenzug müssten die Ukraine und der Westen die Forderungen Moskaus akzeptieren. Putin verlangt unter anderem die Neutralität und eine "Entmilitarisierung" der Ukraine sowie die Anerkennung der russischen Souveränität über die 2014 annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim.

Jerusalem als möglicher Verhandlungsort

Selenskyj schlug am Samstag Jerusalem als möglichen Ort für Verhandlungen über ein Kriegsende mit Putin vor. Sowohl Selenskyj als auch Putin hatten zuletzt wiederholt mit dem israelischen Regierungschef Naftali Bennett telefoniert, der vor einer Woche Putin persönlich in Moskau getroffen hatte. "Heute ist es nicht konstruktiv, sich in Russland, in der Ukraine oder in Belarus zu treffen. Das sind nicht die Orte, an denen wir ein Verständnis für die Beendigung des Krieges finden können", sagte Selenskyj am Samstag vor Journalisten mit Blick auf die enge Verbundenheit der belarussischen Führung mit Moskau. "Ob ich finde, dass Israel so ein Land sein kann und dabei besonders Jerusalem? Ich finde ja."

Der Kreml hat ein Treffen von Putin und Selenskyj nicht ausgeschlossen. "Aber zuerst müssen sowohl Delegationen als auch Minister ihren Teil dazu leisten, dass sich die Präsidenten nicht um des Prozesses, nicht um des Gesprächs, sondern um des Ergebnisses willen treffen", hatte Putin-Sprecher Peskow am Freitag gesagt.

75-minütiges Gespräch Samstagmittag

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron forderten Putin am Samstag zu einem sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine auf. Außerdem drangen Scholz und Macron auf einen Einstieg in eine diplomatische Lösung des Konflikts. Das teilte der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Samstag nach einem Telefonat von Scholz und Macron mit Putin mit. Das Gespräch zu Mittag habe 75 Minuten gedauert.

Weiter hieß es, Scholz habe am Vormittag mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gesprochen und sich über dessen Einschätzung der aktuellen Lage informiert. Auch Macron sprach vor dem Dreiergespräch mit Putin mit Selenskyj. Nach Angaben aus Kreisen des französischen Präsidialamts bat Selenskyj sowohl Scholz auch als Macron darum, sich bei Putin für Verhandlungen, eine Waffenruhe und auch für den nach ukrainischen Angaben entführten Bürgermeister von Melitopol einzusetzen.

Das Gespräch mit Putin war nach Angaben aus Paris schwierig. Es sei darum gegangen, den russischen Präsidenten in Zugzwang zu bringen, Verpflichtungen einzuhalten und den Beginn von Verhandlungen zu akzeptieren. Man erwarte Rechenschaft darüber, welche Schritte Putin dabei gehen könnte.

Putin: "Genozid" in Ostukraine

Der Kreml teilte nach dem Gespräch mit, Putin habe Scholz und Macron über den "tatsächlichen Stand" der Lage in der Ukraine informiert. Vor allem habe der russische Präsident zahlreiche Fälle massivster Menschenrechtsverletzungen durch ukrainische Sicherheitskräfte angesprochen. Russland behauptet, dass in der Ostukraine ein "Genozid" an der russischen Bevölkerung stattfinde. Dafür gibt es keine Belege.

Ukrainische Einheiten würden Andersdenkende hinrichten, Geiseln nehmen und Zivilisten als Schutzschilde missbrauchen sowie schwere Waffen in Wohngebieten stationieren. "Nationalistische" Truppen würden Evakuierungsversuche systematisch verhindern und Zivilisten, die fliehen wollen, einschüchtern, habe Putin in dem Gespräch gesagt. Von französischer Seite hieß es, die Vorwürfe gegen die Ukraine seien Lügen. Putin hat Scholz und Macron dem Kreml zufolge aufgefordert, Druck auf die Ukraine auszuüben, um solche Verbrechen zu beenden. Die Ukraine wirft ihrerseits Russland und den Separatisten schwere Kriegsverbrechen vor.