Russland hat den Westen erneut mit Nachdruck vor Waffenlieferungen an die Ukraine gewarnt. Ein Konvoi mit neuen Rüstungsgütern könne von russischen Streitkräften als Ziel genommen werden, sagte der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow am Samstag im Moskauer Staatsfernsehen. "Das ist einfach ein gefährlicher Zug", sagte Rjabkow mit Blick auf Ankündigungen westlicher Länder, der Ukraine für den Kampf gegen die russische Armee weiter Waffen zu liefern.
Rjabkow beklagte, dass die USA die Ausstattung der Ukraine mit Waffen auch aus anderen Ländern orchestrierten. Moskau werte dies als eine "Eskalationspolitik" Washingtons. Solche Konvois würden dann in der Ukraine zu "rechtmäßigen Zielen", sagte der Diplomat. "Gerade die USA sind die Urheber der maximalen Aufheizung der Spannungen auf internationalem Gebiet", behauptete der Minister jenes Landes, das die Ukraine militärisch überfallen und damit das Völkerrecht gebrochen hat.
Laut dem österreichischen Militärexperten Gerald Karner ist die Warnung zwar ernst zu nehmen, allerdings mit Einschränkungen. "Aus russischer Sicht ist diese Ankündigung legitim", sagt er. "Sofern diese Aktionen auf ukrainischem Gebiet stattfinden." Natürlich könne man nicht wollen, dass der Feind permanent mit Waffen und kriegsrelevanten Informationen beliefert wird. Ob die russischen Streitkräfte allerdings über die Möglichkeiten verfügen, diese Lieferungen langfristig zu unterbinden, ist laut Karner zu bezweifeln. "Die Lieferungen erfolgen ja nicht erst seit heute, warum haben die Russen bisher nichts dagegen unternommen?"
Der Großteil der russischen Armee steckt nach wie vor im Osten der Ukraine und vor Kiew fest und ist dort mit dem Widerstand beschäftigt. Das Ziel, die wichtigsten Städte des Landes einzunehmen und die ukrainische Führung abzusetzen, ist nach wie vor nicht erreicht. "Wenn man nun Konvois im Westen des Landes angreifen will, müsste man auf Präzisionsschläge mit hoher Reichweite setzen. Damit hat die russische Armee schon bisher große Probleme gehabt", sagt Karner. Und selbst wenn diese Angriffe erfolgen, seien das nur punktuelle Erfolge für die Russen. Diese Versorgungsrouten nachhaltig zu stören, sei derzeit für die Invasoren fast unmöglich.
Auch, dass die Russen bereits Ziele wie die westukrainische Stadt Lwiw angegriffen haben, ändere nichts an der Gesamtsituation: "Die Russen haben momentan ganz andere Sorgen", ist Karner überzeugt. Auch die Fortschritte der russischen Armee in Städten wie Cherson oder Mariupol tragen aus Moskauer Sicht nicht wirklich zur Entlastung der Truppen bei, denn dort sei man "noch lange nicht Herr der Lage".
Die Ukrainer erhalten aber nicht nur Waffensysteme aus dem Westen, sondern auch viele Informationen. "Die Satelliten über der Ukraine laufen heiß, vor allem die Amerikaner versorgen das ukrainische Militär permanent mit Informationen über Truppenbewegungen des Feindes und vieles mehr", erklärt Karner. "Diese Informationen sind oftmals noch wichtiger als Waffen."
Matthias Reif