Bei der Evakuierung von Zivilisten aus belagerten Städten in der Ukraine hat es am Mittwoch erneut Zwischenfälle gegeben.
Im Dorf Demydiw rund 25 Kilometer nördlich der Hauptstadt Kiew feuerten russische Truppen nach Darstellung der Sicherheitskräfte auf ukrainische Polizisten. Ein Polizist sei getötet und ein weiterer verletzt worden. Auch ein Zivilist soll schwer verletzt worden sein. In Mariupol funktioniert der humanitäre Korridor offenbar ebenfalls nicht. Ukraines Außenminister Dmytro Kuleba schrieb bei Twitter: "Russland hält weiterhin mehr als 400.000 Menschen in Mariupol als Geiseln, blockiert humanitäre Hilfe und Evakuierung." Der wahllose Beschuss gehe weiter.
"Die Menschen verlassen Mariupol so schnell wie möglich aus eigener Kraft", behauptet indes der Sprecher der prorussischen Separatisten im Gebiet Donezk. Nach seinen Angaben konnten gerade einmal 42 Menschen die Stadt am Asowschen Meer verlassen. Aus Demydiw sollen 100 Zivilisten in Sicherheit gebracht worden sein, darunter 30 Kinder. Die Angaben ließen sich nicht überprüfen.
In anderen Regionen liefen Evakuierungen an. Ukrainische Medien veröffentlichten Bilder aus Irpin bei Kiew, die zeigten, wie alte und kranke Menschen auf Tragen in Sicherheit gebracht wurden. Auf einem Foto war eine alte Frau auf einer Sackkarre sitzend zu sehen. In Worsel nahe der Hauptstadt wurde ein Kinderheim evakuiert.
In der Stadt Sumy im Nordosten des Landes trafen am Mittag Busse ein. Nach Angaben des Vizechefs des Präsidentenbüros Kyrylo Tymoschenko fuhren im südukrainischen Enerhodar sowie in Isjum nahe Charkiw im Nordosten die ersten Fahrzeuge mit Zivilisten ab. Die Ukraine hatte in der Früh in Abstimmung mit der russischen Seite von Fluchtrouten aus insgesamt sechs Städten gesprochen.
Menschen aus Enerhodar und Mariupol sollten am Mittwoch nach Saporischschja im Südosten gebracht werden, sagte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk. Für die Bewohner von Wolnowacha ist Pokrowsk vorgesehen, Poltawa für Einwohner aus Sumy. Auch für Isjum im Osten sowie für mehrere Kleinstädte nördlich von Kiew sind Korridore geplant.
Sumy etwa können die Menschen nach Angaben des Chefs der Gebietsverwaltung Dmytro Schywyzkyj mit eigenen Autos oder mit 22 Bussen verlassen. Dabei werde mit dem Roten Kreuz zusammengearbeitet. 6700 Menschen sollen aus Sumy bereits gerettet worden sein. Es war bisher der einzige von fünf vereinbarten Fluchtkorridoren, der auch wirklich zu funktionieren schien.
Der Waffenstillstand soll demnach bis 20.00 Uhr MEZ gelten. Das Militär habe zugestimmt, dass in dieser Zeit nicht geschossen werde, sagte Wereschtschuk. Die Fluchtrouten seien mit Russland koordiniert und der entsprechende Brief ans Internationale Rote Kreuz geschickt worden.