Wir treffen Sie unter sehr ernsten Umständen. Die Bilder des Krieges erschüttern uns alle. Haben Sie diese Brutalität erwartet?
VICTORIA KENNEDY: Lassen Sie mich ein paar Worte dazu sagen. Wir befinden uns am neunten Tag einer brutalen, nicht provozierten Attacke, einer Invasion eines souveränen Staates durch Wladimir Putin. Die Welt steht zusammen und verurteilt sein Vorgehen gemeinsam. Wir sehen einen unglaublichen Heldenmut der Ukrainer. US-Präsident Joe Biden und seine europäischen Verbündeten haben monatelang an einer diplomatischen Lösung gearbeitet, um genau diese Attacke zu verhindern. Außerdem hat er in beispielloser Weise Geheimdienstinformationen mit seinen Partnern und der Welt geteilt: Informationen darüber, was Putin plant. Niemand wollte es wahrhaben, aber es hat die EU, die G7-Staaten, die Nato vereint und wir haben uns vorbereitet. Was wir jetzt sehen, ist eine unglaubliche Solidarität und Einstimmigkeit der Welt. In den Sanktionen, in den Verteidigungsplänen der Nato, aber auch vonseiten des Sports, der Kunst, der Popkultur und der Gesellschaft. Wir sehen Menschen in Russland aufstehen, obwohl Widerspruch nicht geduldet wird. Sogar eine Opposition in Russland keimt auf.
Die US-Sanktionen sind mit der EU abgestimmt. Präsident Biden hat bereits neue angekündigt. Was kann da noch kommen?
Die jetzigen Sanktionen sind sehr zielgerichtet. Die jüngsten richten sich gezielt gegen Putins inneren Kreis. Wir haben auch Export-Kontrollen erlassen, um die Rüstungsindustrie zu schwächen. Aber es geht auch gegen ihn persönlich, gegen seine Familie, seine Verbündeten.
Manche Experten meinen, Putin würde es am meisten treffen, wenn Europa auf Russlands Gas verzichtet. Die USA haben Hilfe beim Ausstieg versprochen. Wie konkret sind diese Pläne?
Ich denke, wir haben von allen europäischen Staatschefs gehört, dass sie nach Alternativen zu russischem Gas suchen. Präsident Biden bietet dabei seine volle Unterstützung an, die Energiemärkte zu stabilisieren. Wir haben strategische Ölreserven freigegeben. Und es gibt auch Gespräche über alternative Gasquellen mit anderen Ländern.
Putin hat seine Atomwaffen in Alarmbereitschaft gesetzt. Befinden wir uns wieder in einem Kalten Krieg?
Russland bombardiert wahllos Ziele. Wie groß die Gefahr dadurch ist, haben wir bei den Kämpfen in der Nähe eines Atomkraftwerks gesehen. Das verurteilen wir scharf. Ich dränge darauf, diesen ungerechtfertigten Krieg zu beenden. Was wir jetzt sehen ist, auf der einen Seite ein isoliertes Russland, einen isolierten Putin, und auf der anderen die freie Welt.
Wie schätzen Sie die Gefahr für Europa ein, in einen Krieg zu schlittern?
Wir sehen große Einigkeit in Europa und darüber hinaus. Das ist eine gefährliche Situation, aber die Reihen sind geschlossen.
Diese Geschlossenheit haben wir auch bei Bidens Rede im Kapitol gesehen. Republikaner und Demokraten applaudierten dem Präsidenten zu seiner Ukraine-Politik. Ein seltenes Bild.
In dieser Sache ist Amerika geschlossen und unterstützt gemeinsam die Ukraine. Präsident Bidens Rede war ein gutes Beispiel dafür. Demokraten und Republikaner gaben ihm dafür Standing Ovations. Grundsätzlich muss man sehen, wir sind ein großes Land, mit vielen verschiedenen Ansichten, die oft laut zum Ausdruck gebracht werden. Das ist die Kultur unseres Landes. Manchmal führt das dazu, dass man das Gefühl bekommt, es würde viele Unstimmigkeiten geben – und manchmal ist es auch so – aber es gibt große Einstimmigkeit, wenn es um die Ukraine geht. Und das ist wichtig.
Ex-Präsident Donald Trump hat ein gespaltenes Land hinterlassen. Sehen Sie die Wunden nun heilen?
Demokratie ist immer eine unordentliche Angelegenheit, besonders in den USA. Wie ich gesagt habe, es liegt in unserer Natur, politische Debatten und auch lautstarke Gefechte zu führen. Das gehört eben zu uns. Aber ich glaube, gerade für die Ukraine sind wir geeint.
Der Name Kennedy ist auch in Österreich sehr bekannt. Wie war es, Teil dieser einflussreichen und berühmten Familie zu werden?
Ich habe einfach einen Mann geheiratet, den ich sehr geliebt habe. Damit verbunden war auch das Erbe dieser Familie, seinem Land etwas zurückzugeben. Und ich ehre dieses Vermächtnis.
Es gibt auch einen berühmten Österreicher, der Teil dieser Familie war ...
Wer könnte das nur sein (lächelt)? Natürlich kenne ich Arnold Schwarzenegger sehr gut.
Sie sind ein großer Opernfan. Hatten Sie schon Gelegenheit, eine hier zu besuchen?
Ja, hatte ich. Ich habe Manon Lescaut in der Staatsoper gesehen. Es war wunderschön.
Maria Schaunitzer