Der Bundespräsident räumt ein, dass es wahrscheinlich so schnell nicht zu einer deutlichen Ruhe in der Ukraine kommen werde. Er sei aber zuversichtlich, dass "wir diesen Konflikt unter Kontrolle bekommen werden". Einen Zeitrahmen dafür traue er sich nicht zu nennen, sagte Van der Bellen im ORF am Donnerstag.
Der Bundespräsident betonte in dem Interview, wie wichtig es sei, dass die europäischen Länder in der EU organisiert seien. Wenn es die EU nicht gäbe, würde jetzt "ein Chaos sondergleichen herrschen". Der russische Präsident Wladimir Putin habe etwas geschafft, was die Union schon lange nicht mehr zustande gebracht habe: Rasches und entschlossenes Handeln. "Das ist eine unbeabsichtigte Folge des Krieges." Das gleiche könne man auch von der NATO behaupten, die von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron vor kurzem noch als "hirntot" bezeichnet worden sei. Das sei nun nicht mehr der Fall, so Van der Bellen.
Vertrauen wiederherstellen
Van der Bellen sagte, dass für ihn ein Generalangriff auf die Ukraine durch Putin "nicht vorstellbar war und für sonst niemanden auch". "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die russische Bevölkerung zu diesem Krieg steht." Damit würden nicht nur Menschenleben und das Land zerstört, sondern auch Vertrauen zwischen dem Westen und Russland. "Es wird lange dauern, dieses Vertrauen wiederherzustellen."
Das wichtigste wäre es aus seiner Sicht jetzt, mit dem Krieg aufzuhören, einen Waffenstillstand zu vereinbaren und Verhandlungen zu beginnen. "Beide Seiten müssen sich dessen bewusst sein, dass jede weitere Eskalation zu vermeiden ist." Ein direkter Eingriff der NATO stelle ein unkalkulierbares Risiko dar, warnte Van der Bellen.
Geld für Heer
Als Oberbefehlshaber des österreichischen Bundesheeres begrüßte er es, dass das Heer nun mehr Geld bekommen soll. Er hätte sich das schon längst gewünscht. Eine Aufgabe der österreichischen Neutralität lehnte Van der Bellen ab. "Wir haben gute Erfahrungen mit der Neutralität gemacht."
EU-Beitritt der Ukraine
Die Debatte über einen EU-Beitritt der Ukraine hält er für verfrüht. Beitrittsverhandlungen dauern Jahre, "das wird nicht von Freitag auf Montag entscheiden". Die Ukraine habe bereits ein Assoziationsabkommen. Es sei jetzt nicht der Moment, einen möglichen EU-Beitritt zu vertiefen.
Edtstadler: Perspektive geben
Ähnlich äußerte sich auch Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am Donnerstagabend in der "ZiB2" des ORF. Es sei aus ukrainischer Sicht verständlich, dass das Land die EU um Aufnahme ersuche. "Aber ich sehe in nächster Zukunft keinen Beitritt der Ukraine." Man wolle dem Land aber eine Perspektive geben. Ein Eilverfahren zur Aufnahme in die EU schloss Edtstadler aus. Für den Beitritt müssten Kriterien erfüllt werden. Ein EU-Beitritt würde den Krieg in der Ukraine nicht beenden. Die EU sei aber ein Friedensprojekt und sie setze sich daher dafür ein, dass beide Seiten an den Tisch zurückkehren, betonte die Ministerin, die sich derzeit bei einem informellen EU-Rat der Außen- und Europaminister im südfranzösischen Arles befindet.