Während russische Truppen Richtung Kiew vorrücken und das EU-Parlament zur Lage in der Ukraine tagt, berät sich auch die österreichische Bundesregierung. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) wiederholte am Dienstag ihre Forderung nach zusätzlichen Mitteln für das Bundesheer.
Österreich verurteilt einmal mehr den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, betonten Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) in einer Pressekonferenz zur aktuellen Lage in der Ukraine. Russland müsse nun sichere humanitäre Korridore bereitstellen, fordert Nehammer.
Keine sicheren Korridore nach Kiew
Der Ring um die ukrainische Hauptstadt Kiew werde immer enger, sagt Nehammer. Er habe eine enorme Hochachtung vor der Verteidigungsbereitschaft der Menschen, die in der Ukraine leben und um ihr Heimatland kämpfen. Er stünde in einem ständigen Austausch mit dem Bürgermeister von Kiew sowie dem ukrainischen Präsidenten.
Auch die Lage der Menschen, die die Ukraine verlassen wollen, sei dramatisch, sagt Nehammer. Es gäbe "keine sicheren Korridore" – auch nicht für die 89 österreichischen Staatsbürger, die sich noch vor Ort befinden, 42 davon in Kiew. Wenn jemand Zuflucht brauche, stehe das österreichische Botschaftsgebäude in Kiew zur Verfügung, sagt Schallenberg. Auch internationale Unterstützungsleistungen hätten keine sicheren Korridore, kritisiert Nehammer.
Als Angreifer müsse die Russische Föderation sicherstellen, dass humanitäre Korridore in die Städte Charkiw und Kiew gewährleistet seien, so Nehammer: "Humanitäre Hilfe ist jetzt notwendiger denn je." Die Lebensmittel- und Medikamentenversorgung würde noch ein paar Tage reichen, habe ihm der Bürgermeister gesagt. Österreich werde den russischen Präsidenten Wladimir Putin und die Russische Föderation "voll verantwortlich machen", wenn Österreicherinnen und Österreicher zu Schaden kommen und bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
"Keine Rechtfertigung für russischen Angriffskrieg"
Nehammer appelliert an Russland und Putin – und vor allem die Russinnen und Russen, "bei denen ich überzeugt bin, dass die Mehrheit diesen Krieg nicht mitträgt". Es sei dramatisch, "wie viele Menschen jetzt sterben müssen, weil sich einer eingebildet hat, dass wieder Krieg in Europa herrschen muss". Menschlichkeit sei jetzt das Gebot der Stunde und würde von wahrer politischer Größe zeugen, so Nehammer.
"Für den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gibt es keine Rechtfertigung und wird es auch keine geben", sagt Außenminister Schallenberg. Angriffe auf die Zivilbevölkerung seien Verletzungen des Völkerrechts, sagt Schallenberg, das habe er auch dem russischen Botschafter so gesagt. Russland werde zur Rechenschaft gezogen, wenn es keine humanitären Korridore gebe.
"Sie müssen aufpassen, dass sie sich zu diesem Angriffskrieg auch noch Kriegsverbrechen hinzuziehen." Hilfsgüter für die Ukraine seien notwendig, denn "wir sehen gerade erst den Beginn". Wenn Zivilisten zu Schaden kommen würden, würde das "der russischen Führung zu Last gelegt" werden.
"Europäische Nachbarschaftshilfe" gegenüber der Ukraine
Der Respekt gegenüber der Ukraine gebiete es, nicht über mögliche diplomatische Beziehungen mit einer womöglich künftig von Russland eingesetzten ukrainischen Regierung zu spekulieren, sagt Nehammer auf Nachfrage. Die Frage eines möglichen EU-Beitrittes der Ukraine sei sehr komplex, es gelte nun "Einigkeit, Geschlossenheit, Solidarität und Hilfe" in den Vordergrund zu stellen.
Österreich helfe im Rahmen seiner Möglichkeiten mit der Lieferung von Helmen, Hilfsausrüstung, Schutzausrüstung und humanitären Gütern, so Nehammer. Es ginge nun nicht um Asyl oder Migration, sondern um europäische Nachbarschaftshilfe, sagt der Kanzler, das beinhalte auch Zugang zum Arbeitsmarkt für geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer. "Ganz viele" würden aber durch Österreich nur durchfahren, sagt Nehammer. Das Innenministerium stehe aber in ständiger Absprache auch mit der Zivilgesellschaft, um rasch Quartiere zur Verfügung stellen zu können.
Max Miller