Vier Tage nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine haben Unterhändler beider Seiten erste Gespräche über eine Waffenruhe aufgenommen. Die Delegationen trafen am Montag an der ukrainisch-belarussischen Grenze zusammen. Die Ukraine erklärte einen Waffenstillstand und den sofortigen Abzug russischer Truppen von ihrem Staatsgebiet als Ziel. Die russische Seite hielt sich zunächst bedeckt über den Zweck der Gespräche. Dessen ungeachtet setzten die russischen Streitkräfte ihre Offensive in der Ukraine fort. Dabei nahmen sie einem Agenturbericht zufolge zwei kleinere Städte und ein Atomkraftwerk im Südosten der Ukraine ein.
Zum Auftakt der Verhandlungen veröffentlichte das Außenministerium in Moskau Fotos der Delegationen, die sich an einem langen Tisch gegenübersitzen. Anwesend war auch der belarussische Außenminister Wladimir Makej, der die Delegationen im Namen von Präsident Alexander Lukaschenko begrüßte. Zugleich sagte er ihnen Sicherheit zu, wie das Minsker Außenministerium auf Twitter erklärte. Belarus ist ein enger Verbündeter Russlands, das das Nachbarland auch als Aufmarschgebiet für den Krieg in der Ukraine nutzt.
Der Kreml bedauerte unterdessen, dass die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine über ein Ende des Kriegs erst am Montag zustande kamen.
"Das Einzige, was wir sehr bedauern, ist, dass diese Verhandlungen nicht vor 24 Stunden begonnen haben, obwohl die Gelegenheit dazu da war", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag der Staatsagentur Tass zufolge in Moskau. Ukrainischen Berichten zufolge kam ein Treffen am Sonntag nicht zustande, weil sich die Anreise aus der Ukraine wegen der Gefechte als schwierig gestaltet habe.
Die russische Delegation sei bereit, mit der ukrainischen Seite so lange zu verhandeln, bis eine Einigung erzielt werde, sagte der russische Delegationsleiter Wladimir Medinski am Montag der Staatsagentur Tass. Russland ist Medinski zufolge daran interessiert, dass es bei den Gesprächen mit der Ukraine so bald wie möglich zu einer Vereinbarung im beiderseitigen Interesse kommt. Jede Vereinbarung sollte im Interesse beider Seiten sein, sagt der russische Unterhändler.
Die ukrainische Delegation wird angeführt vom Fraktionsvorsitzenden der Präsidentenpartei Sluha Narodu (Diener des Volkes), David Arachamija, teilte das Präsidialamt in Kiew am Montag mit. Zur Delegation gehören zudem unter anderen Verteidigungsminister Olexij Resnikow, Präsidentenberater Mychajlo Podoljak und der stellvertretende Außenminister Mykola Totschyzkyj. Die Ukraine verlangt Medienberichten zufolge in den Verhandlungen mit Russland einen Abzug sämtlicher russischer Truppen. Das schließe auch die seit 2014 von Russland annektierte Krim sowie die Separatistengebiete im Donbass ein, erklärte das Präsidialamt ukrainischen Berichten zufolge.
Nach Angaben aus Kiew vom Sonntag gibt es keine Bedingungen für die Verhandlungen. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko habe die Verantwortung dafür übernommen, dass alle in Belarus stationierten Flugzeuge, Hubschrauber und Raketen während der Anreise der ukrainischen Delegation am Boden blieben.
Trotz der geplanten Friedensgespräche zwischen Moskau und Kiew in Belarus gibt es jedoch Spekulationen, dass Lukaschenko aufseiten Russlands in den Krieg eingreifen könnte. Belarus könnte sich Berichten zufolge schon am Montagmorgen offiziell mit Soldaten in den Krieg einschalten. Belarussische Fallschirmjäger sollen den Befehl bekommen haben, am frühen Morgen in die Ukraine zu fliegen, schreibt die ukrainische Agentur Unian. Sie beruft sich dabei auf Informationen von Andrej Strischak von der Nichtregierungsorganisation Bysol. Diese Informationen ließen sich nicht unabhängig prüfen.
Abramowitsch als Vermittler
Sollte Belarus die Ukraine angreifen, würde das dem widersprechen, was Lukaschenko dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj noch am Sonntag zugesagt haben soll. Selenskyj hatte erklärt, der belarussische Präsident habe ihm versichert, nicht in den Krieg eingreifen zu wollen.
Die Ukraine bat unterdessen auch den russischen Geschäftsmann Roman Abramowitsch nach Angaben von dessen Sprecherin um Unterstützung bei der Suche nach einem Ausweg aus dem Konflikt. Der Geschäftsmann, der zu den reichsten Russen gehört, bemühe sich, einen Beitrag zu einer friedlichen Lösung zu leisten, sagte sie. "Angesichts dessen, was auf dem Spiel steht, bitten wir um Verständnis, dass wir uns nicht weiter äußern." Abramowitsch ist unter anderem Eigentümer des englischen Fußballclubs Chelsea.