Die Ukraine plant nach Angaben eines Regierungsvertreters eine Aufstockung ihrer Armee um weitere rund 160.000 Soldaten. Diese Zahl von Männern solle zusätzlich zum Wehrdienst herangezogen werden, kündigte der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats, Oleksandr Lytwynenko, am Dienstag im Parlament in Kiew an. Aus Sicherheitskreisen verlautete ergänzend, dass diese Mobilisierung innerhalb von drei Monaten stattfinden solle.
Das ukrainische Parlament verlängerte indes auch das nach dem russischen Einmarsch verhängte Kriegsrecht und die Mobilmachung um weitere 90 Tage. Für beide Gesetze stimmte jeweils eine Zweidrittelmehrheit der Obersten Rada, wie örtliche Medien berichteten. Beide Gesetzesentwürfe waren zuvor von Präsident Wolodymyr Selenskyj eingereicht worden. Die Maßnahmen gelten nun vorerst bis Anfang Februar kommenden Jahres.
Bis auf wenige Ausnahmen sieht die Mobilmachung unter anderem eine Ausreisesperre für Männer im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren vor. Nach Angaben Lytwynenkos wurden seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 bereits insgesamt 1,05 Millionen Männer für den Wehrdienst mobilisiert.
Mehrere Gründe für den russischen Vormarsch
Unterdessen bestätigte ein hoher ukrainischer Militär Berichte von massiven Problemen an der Front im Westteil des Gebietes Donezk. „Wir wissen alle, dass ich kein militärisches Geheimnis verrate, wenn ich sage, dass unsere Front zusammengebrochen ist“, sagte Generalmajor Dmytro Martschenko in einem am Montagabend veröffentlichten Videointerview des Ex-Parlamentsabgeordneten Boryslaw Beresa.
Die russischen Truppen seien bereits in die Stadt Selydowe eingedrungen und würden diese seiner Prognose nach bald erobert haben. Dienstagmittag erklärte das russische Verteidigungsministerium die Einnahme der Stadt.
Martschenko nannte mehrere Gründe für den russischen Vormarsch. „Erstens sind das fehlende Munition und Waffen, zweitens sind das fehlende Leute, es gibt keine Leute, keinen Ersatz, die Soldaten sind müde, sie können die Frontlinie nicht abdecken, an der sie sich befinden“, klagte der Generalmajor. Zudem sei die Kommandoführung nicht optimal. Martschenko war zu Kriegsbeginn mit der erfolgreichen Verteidigung der südukrainischen Gebiete Mykolajiw und Cherson bekanntgeworden.
Die russischen Truppen sind dabei in der Ostukraine seit etwas mehr als einem Jahr auf dem Vormarsch. Zuletzt haben sie mehrere kleinere Städte wie Krasnohoriwka, Ukrajinsk, Wuhledar und Hirnyk im Bergbaugebiet Donezk erobert.