Die Bevölkerung der ukrainischen Hauptstadt Kiew durchlebte Montagmorgen dramatische Stunden. Russland griff mit Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen aus der Luft an. Beobachter in Kiew sprechen von einem der schwersten Luftangriffe in zweieinhalb Jahren Krieg. In der ukrainischen Hauptstadt kam es zu mindestens sieben Explosionen, die Strom- und Wasserversorgung ist nach dem Angriff teilweise unterbrochen, wie Bürgermeister Vitali Klitschko auf Telegram mitteilte.
Explosionen wurden aus dem Umland der Hauptstadt und den Gebieten Schytomir, Chmelnyzkyj, Ternopil und Lwiw gemeldet, wie aus der offiziellen Luftalarm-App hervorgeht. Der ukrainischen Luftwaffe zufolge setzte die russische Armee zeitweise elf Langstreckenbomber Tu-95 ein, die Träger von Marschflugkörpern sind. Außerdem wurden demnach Hyperschallraketen Kinschal auf die Ukraine abgefeuert. Auch aus dem Schwarzen Meer sei die Ukraine beschossen worden.
Einen Überblick über Opfer und Schäden gibt es bisher nicht. Ersten Informationen zufolge war erneut das ukrainische Energiesystem ein Hauptziel des Angriffs. Die Ukraine wehrt seit Februar 2022 eine große russische Invasion ab. Am Samstag beging das zweitgrößte Land Europas seinen 33. Unabhängigkeitstag.
Reuters-Mitarbeiter getötet
Auch am Wochenende griffen die russischen Streitkräfte die Ukraine an. Russische Truppen haben die ostukrainische Region Sumy unter schweren Beschuss genommen. Binnen 24 Stunden seien über 260 Angriffe aus verschiedenen Waffen registriert worden, teilten Lokalbehörden mit. Dabei starben vier Menschen, 13 weitere Zivilisten seien verletzt worden. Zahlreiche Wohnhäuser seien zerstört worden. Ein Reuters-Mitarbeiter wurde indes laut offiziellen Angaben bei nächtlichem, russischen Beschuss der ostukrainischen Stadt Kramatorsk getötet.
Die Region Sumy gilt als Hauptnachschublinie für die ukrainischen Truppen in der westrussischen Region Kursk. Durch die Stadt werden neben frischen Truppen auch Munition und sonstige Unterstützung für die Soldaten an die Front gebracht
Mehrere westliche Journalisten wurden offiziellen Angaben zufolge Opfer eines nächtlichen russischen Angriffs auf Kramatorsk, als dort ein Hotel getroffen wurde. Ein britischer Reuters-Sicherheitsberater wurde dabei in einem Hotel getötet, sein Körper wurde nach Angaben der Behörden erst nach Stunden aus den Trümmern geborgen. Vier Menschen wurden verletzt geborgen, wie der ukrainische Gouverneur der Region Donezk, Wadym Filaschkin, auf Telegram mitteilte.
Zuvor hatte er zunächst nur von zwei Verletzten geschrieben. Seinen Angaben nach ist unter den Verletzten auch ein Deutscher. Bei den Verletzungen handle es sich um eine Fraktur, Prellungen und Schnittwunden. Die übrigen Opfer hätten ukrainische, lettische und US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Alle seien, wie auch ihr getöteter Kollege, Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters, schrieb Filaschkin. Reuters berichtete, in dem Hotel habe ein sechsköpfiges Team übernachtet. Die ukrainische Staatsanwaltschaft teilte mit, das Gebäude sei von einer Rakete des Typs Iskander-M getroffen worden.
In pro-russischen Blogs wurde der Angriff bestätigt. Demnach wurde Kramatorsk allerdings mit schweren Gleitbomben vom Typ FAB-1500 attackiert. Dort heißt es allerdings, dass eine Maschinenbaufabrik und mehrere militärische Objekte getroffen wurden.
Am Sonntagabend bestätigte Reuters den Tod eines Sicherheitsberaters. Der 38-Jährige arbeitete seit 2022 für Reuters und beriet Journalisten in Sicherheitsfragen etwa in der Ukraine, Israel und bei den Olympischen Spielen in Paris. Zwei weitere Personen seien verletzt worden, einer von ihnen schwer. In einer am Sonntag vor der Todesmeldung verbreiteten Erklärung der Nachrichtenagentur hieß es, dass sich ein sechsköpfiges Reuters-Team im Hotel Sapphire aufgehalten habe. Das Gebäude sei am Samstag „offensichtlich von einer Rakete getroffen“ worden.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte in seiner Abendansprache, ein „gewöhnliches Stadthotel“ sei von einer russischen Iskander-Rakete zerstört worden. Der Angriff sei „absolut zielgerichtet, durchdacht“ gewesen. „Mein Beileid an Familie und Freunde.“
Das russische Verteidigungsministerium reagierte bisher nicht auf eine Anfrage für eine Stellungnahme.
Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft teilte in einer Erklärung auf Telegram mit, dass sie eine „Voruntersuchung“ zu dem Angriff eingeleitet habe. Dieser habe sich am Samstag um 22.35 Uhr (Ortszeit) ereignet.