Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Westen davor gewarnt, vor Russland Schwäche zu zeigen. Denn sollte die Ukraine diesen Krieg gegen Russland verlieren, werde Kremlchef Wladimir Putin den Krieg näher an den Westen herantragen. „Putin erkennt Schwäche wie ein Tier, denn er ist ein Tier“, sagte Selenskyj in einem am Neujahrstag veröffentlichten Interview des britischen Magazins „The Economist“. Wenn er Blut wittere, werde Putin stark.

„Und er wird auch alle zum Abendessen fressen samt eurer EU, Nato, Freiheit und Demokratie.“ Selenskyj sah aktuell keinen gangbaren Weg zu einem Frieden. Er selbst erkenne auf russischer Seite „keine fundamentalen Schritte“ dorthin. Stattdessen gebe es von russischer Seite nur ständige Luftangriffe. „Ich erkenne nur die Schritte eines terroristischen Staats.“ Russland sende höchstens vermeintliche Friedenssignale aus, wenn die Arsenale leer geschossen seien. Doch nach einer Atempause gehe es wieder „mit aller Gewalt“ weiter. Einen Tag nach der russischen Ankündigung einer Intensivierung der Angriffe auf die Ukraine wurden nach ukrainischen Angaben „viele“ Raketen Richtung Kiew abgefeuert. 

Militärische Kapazitäten Russlands auf der Krim sollen reduziert werden

Die Kriegsziele der Ukraine für 2024 wollte Selenskyj nicht verraten, da im Vorjahr durch Lecks die Vorbereitungen zur Sommeroffensive der Ukraine verraten worden seien und die Vorbereitungen der Russen ermöglicht hätten. Allerdings werde daran gearbeitet, die militärischen Kapazitäten Russlands auf der Krim zu reduzieren. „Dies ist für uns extrem wichtig, da wir dadurch die Zahl der Angriffe aus dieser Region senken könnten“, sagte Selenskyj. Ein Großteil der Drohnen, mit denen die ukrainischen Städte angegriffen werden, starten von der Krim.

Um die Halbinsel von ihrer Versorgung abzuschneiden, benötige die Ukraine die deutschen Taurus-Marschflugkörper, sagte Selenskyj. Damit könnte etwa die Kertsch-Brücke angegriffen werden. „Russland muss wissen, dass dies für uns ein militärisches Ziel ist.“ Bisher hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Lieferung der Taurus an Kiew abgelehnt.

Angriffswelle am Neujahrstag

Am Neujahrstag hatte das russische Militär erneut eine Angriffswelle mit Kampfdrohnen und Raketen gegen ukrainische Städte gestartet, darunter auch die Hauptstadt Kiew. Die Bevölkerung wurde am Montagnachmittag aufgerufen, die Schutzräume aufzusuchen, wie ukrainische Medien berichteten. Kurz darauf waren rund um die Stadt Explosionen zu hören, als die Flugabwehr in Aktion trat. Auch aus anderen Städten im Osten der Ukraine wurden Angriffe von Drohnen und Raketen gemeldet. Bei Sumy starben zwei Menschen beim Einschlag einer Drohne in ein Wohnhaus.

Russland hatte in der Silvesternacht 90 sogenannte Kamikaze-Drohnen zu Zielen in der Ukraine gestartet. Die ukrainische Flugabwehr zerstörte nach eigenen Angaben 87 dieser Drohnen.

Von den verschiedenen Frontabschnitten wurden am Neujahrstag heftige Kämpfe gemeldet. Allein im Osten des Landes seien 38 Angriffe russischer Truppen abgewehrt worden, teilte der ukrainische Generalstab in Kiew am Abend mit. Der ukrainischen Raketenartillerie sei es gelungen, mehrere Aufmarschgebiete russischer Infanterie sowie Artilleriestellungen zu treffen. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.