Heftige Ausschreitungen haben das Europa-League-Spiel zwischen Ajax Amsterdam und Maccabi Tel Aviv überschattet. Bei den Attacken auf israelische Fußballfans in Amsterdam sind insgesamt 20 bis 30 Menschen verletzt worden, die meisten leicht. Fünf Personen mussten in Krankenhäusern behandelt werden. Alle seien wieder entlassen worden, teilte die Bürgermeisterin Femke Halsema vor der Presse am Freitag in der niederländischen Hauptstadt mit.

Zehn Verdächtige befinden sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft noch in Haft, davon sind zwei minderjährig. Insgesamt waren bei den Ausschreitungen 62 Personen festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, alle mutmaßlichen Täter mit aller Härte zu verfolgen. Stadt und Justiz untersuchen nun die Vorfälle.

Nach dem Fußballspiel in der Europa League von Ajax Amsterdam gegen Maccabi Tel Aviv waren am späten Donnerstagabend israelische Fans nach Angaben der Polizei gezielt angegriffen worden. Vor allem propalästinensische Jugendliche auf kleinen Motorrädern hätten die Israelis verfolgt und misshandelt. Die Bürgermeisterin sprach von einer „tiefschwarzen Nacht“. „Das ist eine Schande für Amsterdam.“ Halsema verurteilte die „antisemitischen Übergriffe“ und kündigte extra Sicherheitsmaßnahmen an, um Israelis und Juden in der Stadt zu schützen.

Mögliche Geiselnahme

Die Polizei teilte weiters mit, dass sie auch Berichten über eine mögliche Geiselnahme und über vermisste Personen nach den Angriffen auf die Fans der israelischen Mannschaft nachgehe, konnte dies aber nicht bestätigen. „An mehreren Stellen in der Stadt wurden Fans belagert, misshandelt und mit Feuerwerkskörpern beworfen“, erklärte die Amsterdamer Bürgermeisterin Femke Halsema. Sie verurteilte dieses „antisemitische Verhalten“. Die Behörden rufen alle Opfer auf, sich bei der Polizei zu melden und Anzeige zu erstatten.

Israelis könnten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Flughafen reisen, wo Flüge nach Israel bereitgestellt würden, so das Außenministerium. Örtliche Sicherheitskräfte seien im Einsatz. Das Außenministerium riet zugleich, keine jüdischen oder israelischen Symbole zu tragen. Die israelische Fluggesellschaft El Al teilte mit, um 14 Uhr Ortszeit starte ein erster Rettungsflug aus Amsterdam Richtung Israel. Zudem seien im Anschluss noch zwei weitere reguläre Flüge nach Tel Aviv geplant. Hunderte israelische Fans sollen auf diesem Wege nach Hause gebracht werden.

Ganze Stadt als Sicherheitsrisikogebiet erklärt

Eine Notverordnung hat Bürgermeisterin Femke Halsema für ganz Amsterdam erlassen, ebenso für die Nachbargemeinde Amstelveen. Auf der Pressekonferenz im Rathaus hat Halsema Maßnahmen angekündigt. Am Wochenende gilt in Amsterdam ein Demonstrationsverbot, ein Verbot von gesichtsbedeckender Kleidung sowie weitere Maßnahmen. Objekte und Einrichtungen, die gefährdet sind, werden verstärkt beobachtet.

Laut Bürgermeisterin sollen sich derzeit noch Unterstützer in der Stadt befinden. Die ganze Stadt wurde zum Sicherheitsrisikogebiet erklärt. Zusätzlich wurde Polizei in der Stadt eingeschaltet, es kann zu präventiven Durchsuchungen kommen.

Diaspora-Ministerium wusste offenbar über Gewalt-Pläne Bescheid

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu rief die niederländischen Sicherheitskräfte auf, entschlossen gegen Gewalttäter vorzugehen und die Sicherheit der israelischen Fußballfans zu gewährleisten. Nach Angaben der Polizei gab es nach dem Spiel in der Europa League zwischen Ajax Amsterdam und Maccabi Tel Aviv, das Ajax mit 5:0 gewann, an mehreren Orten im Zentrum der niederländischen Hauptstadt Unruhen - wobei nicht näher erläutert wurde, von welcher Seite die Gewalt ausging.

Israels Diaspora-Ministerium habe im Vorfeld über Pläne Bescheid gewusst, einen bestimmten israelischen Fan zu verletzen, der für den israelischen Grenzschutz arbeiten soll, meldeten indes israelische Medien. Gleiches gelte für einen geplanten Angriff auf ein Hotel, in dem israelische Fußballanhänger übernachtet haben. Die niederländischen Behörden seien darüber informiert worden.

Zudem rechnete das Diaspora-Ministerium den Berichten zufolge auch mit einem gewalttätigen Protest vor Beginn des Fußballspiels vor der Johan-Cruijff-Arena, den die Stadtverwaltung eigentlich verboten hatte. Auch diese Erkenntnis sei mit den Niederlanden geteilt worden. Etwa 200 Demonstranten hatten nach Angaben der niederländischen Polizei am Donnerstagabend versucht, zu der Spielstätte zu gelangen. Die Stadtverwaltung bestimmte einen anderen Ort in der Nähe für die Kundgebung.

Bestürzung bei Israels Politikern

Israelische Politiker zeigten sich wegen der Gewalttaten bestürzt. „Mit Grauen sehen wir heute Morgen die schockierenden Bilder und Videos, von denen wir seit dem 7. Oktober gehofft haben, sie nie wieder zu sehen: ein antisemitisches Pogrom gegen Fans von Maccabi Tel Aviv und israelische Bürger im Herzen von Amsterdam“, schrieb Israels Präsident Yitzhak Herzog auf der Plattform X. „Dies ist ein schwerwiegender Vorfall, ein Warnsignal für jedes Land, das die Werte der Freiheit hochhalten möchte“, schrieb Herzog weiter. „Da findet 2024 in Europa ein Pogrom statt“, kommentierte der israelische UNO-Botschafter Danny Danon auf X.

Der israelische Außenminister Gideon Saar schrieb eben dort: „Nach den schwerwiegenden Vorfällen stehen wir mit den Behörden in den Niederlanden in Kontakt. Jeder Israeli oder Jude, der sich derzeit in Not befindet oder Informationen zu den Gewalttaten hat, wendet sich bitte an das Lagezentrum.“ Saar kündigte zudem an, nach Amsterdam reisen zu wollen. Er wolle hochrangige Vertreter der niederländischen Regierung treffen, darunter seinen Amtskollegen, teilte das israelische Außenministerium mit. Saar werde dabei die Bedeutung des Kampfes gegen Antisemitismus betonen. Den Angaben nach wird sich der israelische Außenminister auch mit Mitgliedern der jüdischen Gemeinde vor Ort treffen.

Auch niederländische Politiker waren entsetzt. Ministerpräsident Dick Schoof verurteilte auf X diese „inakzeptablen antisemitischen Angriffe auf Israelis“. Er habe inzwischen mit Netanyahu telefoniert. Er sagte dem Land alle Unterstützung zu. Der radikal-rechte niederländische Populist Geert Wilders sprach auf X von einer Jagd auf Juden. „Ein Pogrom in den Straßen von Amsterdam. (...) Muslime mit palästinensischen Flaggen jagen Juden.“

Nehammer und UEFA verurteilen Gewalt ebenfalls aufs Schärfste

Bundeskanzler Karl Nehammer und Europaministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP) verurteilten die Vorfälle auf X scharf. „Wir verurteilen antisemitische Gewalt aufs Schärfste, wo immer sie auftritt - insbesondere, wenn sie im Rahmen eines Sportereignisses stattfindet, das Menschen zusammenbringen soll. In diesen Tagen werden wir noch stärker an unsere historische Verantwortung erinnert, Hass gegen Juden nie wieder die Oberhand gewinnen zu lassen“, schrieb Nehammer. „Wir dürfen beim Kampf gegen Antisemitismus auf keinem Auge blind sein“, forderte Edtstadler. „Gegen Szenen wie gestern Nacht muss Europa geschlossen vorgehen. So etwas hat bei uns keinen Platz!“, so die Europaministerin.

Die Europäische Fußball-Union UEFA verurteilte die „Gewalttaten“ in Amsterdam „aufs Schärfste“. Nach einem Spiel mit guter Atmosphäre habe man „mit Entsetzen erfahren, was gestern Abend im Zentrum von Amsterdam geschehen ist“, hieß es in einer Stellungnahme von Ajax Amsterdam. Unter vorherigen X-Beiträgen wurde der Verein teils scharf kritisiert, da Ajax am Vormittag Videoausschnitte des Spiels gegen Maccabi Tel Aviv teilte und sich erst am frühen Nachmittag zu den Geschehnissen in der niederländischen Hauptstadt äußerte.

Was haben die Maccabi-Fans vor dem Spiel gesungen?

Wie es zu den Angriffen kommen konnte und ob es um eine organisierte Aktion ging, soll untersucht werden. Die Polizei wies darauf hin, dass es bereits in der Nacht zuvor Zusammenstöße gegeben hatte. Auch Fans von Tel Aviv hätten randaliert und provoziert. So hätten sie palästinensische Flaggen verbrannt und von Häuserwänden gerissen sowie beleidigende Parolen gerufen. Das sei aber in keinerlei Hinsicht eine Entschuldigung für die antisemitischen Attacken, betonte die Bürgermeisterin.

Bereits vor dem Spiel gab es im Zentrum der Stadt Zusammenstöße von israelischen Fußball-Fans und Sicherheitskräften. Dabei wurden nach Polizeiangaben etwa zehn Personen festgenommen wegen Störung der öffentlichen Ordnung und des verbotenen Besitzes von Feuerwerkskörpern.

Vor dem Spiel kam es auch nahe dem Stadion im Südosten der Stadt zu Auseinandersetzungen. Etwa 200 Demonstranten versuchten nach Angaben der Polizei, zu der Spielstätte zu gelangen. Zuvor hatte die Stadtverwaltung eine Demonstration direkt vor der Johan Cruijff Arena verboten und einen anderen Ort in der Nähe für die Kundgebung bestimmt. Die Sicherheitsvorkehrungen waren vor der Partie deutlich verschärft worden.

Im Netz kursieren Videos von grölenden Maccabi-Fans, die verachtenswerte Fangesänge über die Menschen im Gazastreifen angestimmt haben sollen. Offiziell wurde dies aber noch nicht bestätigt.

„Die erschütternden Bilder dieses Pogroms erinnern eindringlich an die anhaltende Bedrohung, die der Antisemitismus für unsere Gemeinschaften darstellt“, teilte die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem mit. Kurz vor dem Jahrestag der November-Pogrome des Jahres 1938 sei es zutiefst alarmierend, weitere Gewalttaten gegen Juden zu erleben. Die Gedenkstätte sprach von einem „grundlosen Angriff auf Juden“.