Elf Tote, darunter Generäle der Revolutionsgarde und Gesandte radikaler Palästinensergruppen: Der israelische Luftangriff auf das iranische Konsulat in Damaskus ist eine Demütigung für das Teheraner Regime. Revolutionsführer Ali Khamenei kündigte am Dienstag an, Israel werde für den Angriff bezahlen. Der Iran ist allerdings nicht stark genug, um sich militärisch direkt an Israel zu rächen. Auch Angriffe proiranischer Milizen auf Truppen der mit Israel verbündeten USA oder Terroranschläge auf israelische Einrichtungen im Ausland wären für Khameneis Regime riskant.
Attacke auf Botschaftsgebäude
Israelische F-35-Kampfflugzeuge hatten am Montag einen Anbau der Botschaft der Islamischen Republik in Damaskus mit Raketen beschossen. Das Haus, in dem das iranische Konsulat und die Residenz des iranischen Botschafters untergebracht sind, wurde zerstört. Das Völkerrecht verbietet Angriffe auf diplomatische Einrichtungen, doch Israel argumentiert nach einem Bericht der „New York Times“, das Gebäude habe Treffen der iranischen Revolutionsgarde gedient und deshalb nicht unter diplomatischem Schutz gestanden.
Prominentestes Opfer des israelischen Angriffs war Brigadegeneral Mohammad Reza Zahedi, Kommandeur der Auslandstruppe der iranischen Revolutionsgarde im Libanon und in Syrien. Mit ihm starben sein Stabschef Hossein Aminullah und Brigadegeneral Mohammad Hadi Haji Rahimi, der bei der Garde für Palästina zuständig war. Insgesamt seien acht Iraner, zwei Syrer und ein Libanese umgekommen, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Laut der „New York Times“ berieten die iranischen Generäle gerade mit Gesandten der radikal-palästinensischen Gruppe Islamischer Dschihad über den Gazakrieg. Der Iran ist der wichtigste Unterstützer der Hamas im Krieg gegen Israel.
Israel greift seit Jahren regelmäßig Positionen der Iraner und seiner Verbündeten in Syrien und im Libanon an. Vorige Woche beschossen israelische Kampfjets ein Munitionslager der libanesischen Hisbollah-Miliz im nordsyrischen Aleppo; dabei starben 52 Menschen. Im Januar tötete Israel den Hamas-Vizechef Saleh al-Aruri in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Ein israelischer Luftangriff im Dezember tötete den iranischen General Sayyed Razi Mousavi in Damaskus.
Israel kann in Syrien angreifen, obwohl Irans Partner Russland den Luftraum über dem Bürgerkriegsland kontrolliert. Allerdings sind Russland und der Iran in Syrien auch Konkurrenten, weshalb es Moskau recht ist, wenn iranische Militärs dort nicht zu stark werden. Außerdem habe Russland wegen des Ukrainekrieges einen Teil seiner Luftabwehr aus Syrien abgezogen, sagte der Istanbuler Sicherheitsexperte Yörük Işık unserer Zeitung. Russische Luftabwehrbatterien seien zudem machtlos gegen die israelischen F-35-Kampfjets, die modernsten Kampfflugzeuge aus amerikanischer Produktion.
Allein sind der Iran und seine Verbündeten in Syrien und im Libanon nicht in der Lage, die israelischen Angriffe zu stoppen. Auch der Angriff vom Montag demonstrierte, dass sie selbst hohe iranische Offiziere nicht schützen können. Teheran sei damit gedemütigt worden, sagt Iranexperte Arash Azizi von der Clemons-Universität in den USA. Nun werde der Druck auf das Regime wachsen, zurückzuschlagen, sagte Azizi unserer Zeitung.
Azizi sieht in dem israelischen Angriff auf das Konsulatsgebäude eine gefährliche Eskalation des „Schattenkrieges“ zwischen dem jüdischen Staat und dem Iran; dieser Krieg wird mit nadelstichartigen Angriffen und Anschlägen geführt, wobei beide Seiten bisher darauf achteten, den Konflikt nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Mit dem Anschlag von Damaskus habe Israel den Iran nun provoziert, sagte Azizi.
Das Regime in Teheran kann militärisch aber nicht viel gegen Israel unternehmen. Der Iran verfügt zwar über Tausende Raketen, die Israel treffen können. Doch Khamenei will keinen offenen Krieg, weil dieser die Existenz der Islamischen Republik gefährden würde, besonders bei einem Eingreifen der USA. Khamenei zögert auch, die proiranische Hisbollah-Miliz im Libanon gegen Israel in die Schlacht zu schicken. Die Hisbollah dient dem Teheraner Regime als erste Verteidigungslinie im Falle eines Krieges mit dem Westen. Der Iran will die Miliz nicht durch einen Krieg gegen Israel schwächen.
Als iranische Vergeltung sind Angriffe proiranischer Milizen auf US-Truppen im Irak und in Syrien denkbar. Die USA trügen als Partner Israels die Verantwortung für den Angriff von Damaskus, erklärte der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian. Sein Ministerium bestellte den Schweizer Botschafter in Teheran ein; die Schweiz vertritt im Iran die diplomatischen Interessen der USA, die keine eigenen Beziehungen mit Teheran haben. Ein US-Stützpunkt in Syrien soll am Dienstag mit einer Drohne angegriffen worden sein.
Angriffe auf US-Interessen in Nahost bergen für den Irak aber das Risiko amerikanischer Gegenschläge. Die USA hatten im Februar mehrere iranische Stellungen in Syrien und im Irak unter Beschuss genommen, nachdem die Iraner US-Positionen angegriffen hatten. Damals stoppte Teheran die Angriffe auf die US-Truppen.
„Das wird ihnen noch leidtun“
Möglich sind auch iranische Terroranschläge auf israelische Einrichtungen. „Das wird ihnen noch leidtun“, sagte Khamenei am Dienstag über die Israelis. Der jüdische Staat „wird durch unsere tapferen Krieger bestraft werden“. Der Iran hat in der Vergangenheit bereits mehrmals Anschläge gegen Israel und Juden außerhalb des Nahen Ostens verübt. Im Jahr 1994 starben 85 Menschen bei einem iranischen Anschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum in Buenos Aires.
Anschläge wie diese könnten dem Iran aber mehr schaden als nutzen, meint Iranexperte Azizi. „Anschläge in relativ iranfreundlichen Ländern wie der Türkei oder in Zypern oder selbst in der Europäischen Union würden die Beziehungen des Iran zu diesen Ländern belasten“, sagte der Iranexperte. „Und das will der Iran vermeiden.“