Die Nummer zwei der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas, Saleh al-Aruri, ist am Dienstag nach Angaben mehrerer Quellen bei einem Israel zugeschriebenen Drohnenangriff in einem Vorort von Beirut getötet worden. Das gaben zwei libanesische Sicherheitsvertreter und die Hamas bekannt. Ein der Hamas nahestehender TV-Sender berichtete am Abend, dass bei der mutmaßlich israelischen Attacke auch zwei weitere hochrangige Hamas-Mitglieder getötet wurden.

Es handelt sich laut dem Fernsehsender um die Kommandanten Samir Fandi Abu Amer und Assam al-Akra Abu Ammar des bewaffneten Arms der Gruppierung. Die Hamas selbst sprach von zwei getöteten Anführern ihrer Kassam-Brigaden. Sie bestätigte auch den Tod eines ihrer Anführer, des stellvertretenden Leiters des Hamas-Politbüros, Saleh al-Aruri.

Insgesamt wurden laut Libanons staatlicher Nachrichtenagentur NNA sechs Menschen bei dem Vorfall am Dienstag getötet. Die genauen Hintergründe der Explosion blieben zunächst unklar. Schnell kam der Verdacht auf, dass es sich um eine gezielte Tötung handeln könnte – möglicherweise durch Israels Armee oder im Auftrag Israels. Israels Militär kommentierte die Berichte auf Anfrage nicht.

Der Vize-Präsident des Politbüros der Hamas, Saleh al-Aruri (links), und Präsident Ismail Haniyeh (rechts)
Der Vize-Präsident des Politbüros der Hamas, Saleh al-Aruri (links), und Präsident Ismail Haniyeh (rechts) © AP / Mohammad Austaz

Neben Saleh al-Aruri seien auch seine Leibwächter bei dem Drohnenangriff getötet worden, erklärten die beiden libanesischen Sicherheitsvertreter. Bisher beschränkten sich die Auseinandersetzungen zwischen der israelischen Armee und der libanesischen Hisbollah-Miliz – einem Verbündeten der palästinensischen Hamas – auf die Grenzgebiete im Süden des Libanon.

Aruri sei zusammen mit seinen Leibwächtern bei dem Angriff auf das Hamas-Büro am südlichen Stadtrand von Beirut getötet worden, sagte einer der Sicherheitsvertreter. Das Gebiet gilt als Hochburg der pro-iranischen Hisbollah-Miliz.

Aruri saß knapp 20 Jahre in israelischen Gefängnissen

Die Hamas berichtete in ihren offiziellen Medien von der „Ermordung“ al-Aruris. „Der Vize-Präsident des Politbüros der Hamas, Scheich Saleh al-Aruri, wurde bei einem zionistischen Angriff in Beirut zum Märtyrer“, gab die Hamas auf ihrem offiziellen Fernsehkanal, al-Aksa TV, und ihren anderen Medien bekannt.

Auch zwei Chefs der Essedin al-Kassam-Brigaden, der militärische Flügel der Hamas, seien getötet worden. Weiter hieß es, der Angriff werde „den Widerstand“ nicht brechen.

Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur des Libanon wurden bei dem israelischen Angriff insgesamt sechs Menschen getötet. „Die Zahl der Märtyrer ist auf sechs gestiegen“, berichtete NNA. Demnach fand zum Zeitpunkt des Angriffs in dem Hamas-Büro ein Treffen von Palästinensergruppen statt. Zunächst hatte die Agentur vier Tote gemeldet.

Ein AFP-Fotograf sah zwei zerstörte Etagen eines Gebäudes sowie beschädigte Fahrzeuge. Demnach wurden Gebäude und Autos in einem Umkreis von etwa hundert Metern beschädigt. Der libanesische Regierungschef Najib Mikati sprach von einem „israelischen Verbrechen“. Er warf Israel laut einer von seinem Büro veröffentlichten Erklärung vor, den Libanon in eine „neue Phase der Konfrontation“ hineinziehen zu wollen.

Aruri, den Israel für die Planung zahlreicher Attentate verantwortlich macht, war 2017 zum Stellvertreter von Hamas-Politbüro-Chef Ismail Hanija gewählt worden. Damit wurde er offiziell zur Nummer zwei der islamistischen Organisation. Nachdem er insgesamt fast 20 Jahre in israelischen Gefängnissen inhaftiert war, war er im Jahr 2010 unter der Bedingung freigelassen worden, ins Exil zu gehen. Seitdem lebte er wie viele andere Hamas-Vertreter im Libanon. Sein leerstehendes Haus im Westjordanland war nach Angaben von Augenzeugen im Oktober von der israelischen Armee mit Sprengstoff zerstört worden.

Israel und die Hamas befinden sich seit fast drei Monaten im Krieg. Auslöser war ein Großangriff der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas auf Israel, bei dem am 7. Oktober rund 1.140 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden.

Als Reaktion auf den Hamas-Großangriff bombardiert Israel seit dem 9. Oktober Ziele im Gazastreifen und begann auch eine Bodenoffensive – mit dem Ziel, die radikalislamische Organisation zu vernichten. Laut jüngsten Angaben des Hamas-Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seitdem mindestens 22.000 Menschen im Gazastreifen getötet. Das israelische Militär meldet seinerseits 173 gefallene Soldaten.