Beim Beschuss einer Klinik im nördlichen Gazastreifen sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums der islamistischen Hamas zwölf Menschen getötet worden. Unterdessen kamen 28 der evakuierten Frühgeborenen aus dem umkämpften Shifa-Krankenhaus in Gaza zur Behandlung in Ägypten an. Ein unbestätigter Medienbericht, wonach am Montag eine Kampfpause zur Freilassung von Geiseln aus der Gewalt der islamistischen Hamas beginnen sollte, bestätigte sich bis zum Abend nicht.

US-Präsident Joe Biden geht aber davon aus, dass eine Einigung zur Befreiung vieler Geiseln in Reichweite sein könnte. Auf die Frage eines Journalisten, ob ein solcher Deal absehbar sei, sagte Biden am Montag in Washington: „Ich glaube schon.“ Vermittler Katar hatte am Sonntag von Fortschritten in den Gesprächen mit der Hamas und Israel zu einer solchen Vereinbarung berichtet.

Hamas bat WHO um Hilfe

Augenzeugen berichteten von israelischen Panzern, die unweit des Krankenhauses stationiert seien. Nach Angaben des Sprechers des Hamas-kontrollierten Gesundheitsministeriums sollen sich in der Klinik noch 200 Mitarbeiter sowie Tausende Vertriebene befinden. Eine genaue Zahl nannte er nicht. „Wir haben die Weltgesundheitsorganisation gebeten, die Patienten zu evakuieren“, sagte der Sprecher. Die indonesische Regierung verurteilte den Beschuss des Spitals scharf: Es habe sich dabei um einen „eindeutigen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht“ gehandelt, teilte Außenministerin Retno Marsudi am Montag mit.

Israel wirft der Terrororganisation Hamas vor, Krankenhäuser im Gazastreifen für militärische Zwecke zu nutzen. Nach Angaben der Armee soll auch das indonesische Krankenhaus von „Terror-Infrastruktur“ umgeben sein. Die Klinik sei etwa auf einem Tunnelsystem der Hamas gebaut worden. Unabhängig waren auch diese Angaben zunächst nicht zu überprüfen. Die Vorwürfe schürten jedoch Sorgen vor einem möglichen Einsatz in dem Krankenhaus-Komplex.

28 Frühchen aus dem Shifa-Krankenhaus werden bereits in Ägypten behandelt
28 Frühchen aus dem Shifa-Krankenhaus werden bereits in Ägypten behandelt © AFP

Babys in Ägypten, Angriff auch in Südgaza

28 der aus dem Shifa-Krankenhaus in Gaza evakuierten Frühchen sind inzwischen in Ägypten, einige befinden sich der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge aber in Lebensgefahr. Der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira zeigte Babys in Brutkästen, die am Grenzübergang Rafah an ägyptische Krankenwagen übergeben wurden. Der Palästinensische Rote Halbmond bestätigte den Transfer.

Nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen sind nach einem israelischen Luftangriff in der Stadt Chan Junis mindestens 70 Tote gezählt worden. Dutzende Patienten, darunter viele Kinder und Jugendliche, hätten im Nasser-Krankenhaus am Sonntag wegen schwerer Brandwunden behandelt werden müssen, erklärte die Hilfsorganisation unter Berufung auf ihre Mitarbeiter in der Klinik.

Der Projektleiter von Ärzte ohne Grenzen im südlichen Gaza, Christophe Garnier, erklärte: „Der medizinische Bedarf ist enorm.“ Die Gruppe sei bereit, ihren Einsatz auszubauen, brauche dafür aber „grundlegende Sicherheitsgarantien und uneingeschränkten Zugang zu medizinischen und humanitären Vorräten“, erklärte er. „Ein Waffenstillstand ist ein Muss, jetzt mehr als je zuvor, um das andauernde Blutvergießen zu stoppen“, forderte er.

Am Sonntag zu Mittag war in der Klinik bereits eine Statistik ausgehangen, wonach 47 Menschen getötet worden waren. Ein Fotograf hatte der Deutschen Presse-Agentur zu dem Zeitpunkt berichtet, in der Klinik seien viele Leichensäcke aufgereiht gewesen. Die israelische Armee veröffentlichte zunächst keine Mitteilung zu den Berichten über Angriffe im Süden des Gazastreifens.

Palästinenser flüchten Richtung Süden

Der israelische Verteidigungsminister Joaw Galant hatte am Samstag angekündigt, die Angriffe im Gazastreifen würden in Kürze auf den Süden ausgeweitet. Das Militär ruft die Einwohner des Nordens seit mehr als einem Monat dazu auf, in eine Zone im Süden zu fliehen, die westlich von Chan Junis am Mittelmeer liegt. Zuletzt wurden erstmals auch Einwohner von Chan Junis zur Flucht aufgerufen.

Im Laufe des Sonntags sind nach UN-Angaben etwa 20.000 Menschen aus dem Norden des Gazastreifens Richtung Süden geflüchtet. Die Zahl beruht auf Schätzungen von UN-Beobachtern vor Ort, berichtete das UN-Nothilfebüro OCHA am frühen Montag. Die meisten Menschen kamen demnach am Übergang zum südlichen Gazastreifen mit Eselskarren und Bussen sowie manche zu Fuß an.

Die Menschen folgten dem Aufruf der israelischen Streitkräfte, die seit Wochen verlangen, dass Zivilisten die Stadt Gaza und den Nordteil des abgeriegelten Küstengebiets verlassen. Israel zufolge unterhält die militante Palästinenserorganisation Hamas dort in Krankenhäusern, Schulen und Wohnhäusern Kommandozentralen und Abschussbasen für Raketen.

Nach Angaben von OCHA berichten Geflüchtete, sie hätten unter anderem durch israelische Kontrollpunkte mit Maschinen zur Gesichtserkennung gehen müssen. Israel befürchtet offenbar, dass sich Terroristen unter den Flüchtenden befinden. OCHA zufolge gab es auch Festnahmen.

Nach Angaben des UN-Nothilfebüros sind im Gazastreifen inzwischen mehr als 1,7 Millionen Menschen Binnenflüchtlinge, also etwa drei Viertel der Bevölkerung. Rund 900.000 Menschen haben demnach in überfüllten Einrichtungen des UN-Hilfswerks für Palästinenser (UNRWA) Schutz gesucht.

Israel zufolge gibt es im Süden in den für die Zivilbevölkerung ausgewiesenen Gebieten ausschließlich gezielte Angriffe auf Anführer der Hamas. Doch auch im Süden kommt es immer wieder zu Luftangriffen mit vielen Toten. Die Menschen leben dort unter prekären Umständen, Helfer sprechen von einer humanitären Katastrophe.

Mehrfach Raketenalarm in Israel

Extremistische Palästinenser im Gazastreifen feuerten indes erneut Raketen auf Israel ab. Es sei mehrfach Raketenalarm ausgelöst worden, auch in der Küstenmetropole Tel Aviv, teilte die Armee am Montag mit. Israelische Medien meldeten unter Berufung auf die Polizei, am frühen Abend sei in der Stadt Kholon bei Tel Aviv Raketensplitter gelandet. Berichte über Verletzte gab es zunächst nicht. Die Hamas übernahm die Verantwortung für den Beschuss.

Aus dem Libanon wurden nach Angaben der israelischen Armee am Montag rund 25 Raketen in Richtung Israel abgefeuert. Die israelische Armee griff nach eigenen Angaben mehrere Ziele im nördlichen Nachbarland an. Die libanesische Schiiten-Miliz Hisbollah bestätigte Angriffe in Israel und registrierte nach eigenen Aussagen mehrere Treffer.