Die israelische Armee hat ihren Militäreinsatz gegen die militante Palästinenser-Organisation Hamas im Gazastreifen fortgesetzt. Medienberichten zufolge wurde ein Haus im Flüchtlingsviertel Al-Maghazi im Zentrum des Gazastreifens bombardiert. Ein Sprecher der von der islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sagte am Sonntag, dabei seien am Vorabend mindestens 33 Menschen ums Leben gekommen, mehr als 100 Menschen seien verletzt worden.

Der arabische Fernsehsender Al-Jazeera berichtete unter Berufung auf Ärzte vor Ort sogar von 45 Todesopfern. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Israels Verteidigungsminister Joaw Galant sprach von "schweren Kämpfen", Truppen seien in Wohngebiete eingedrungen.

Viele Frauen und Kinder unter den Opfern

Die Hamas erklärte, die Mehrheit der Opfer des Angriffs auf das Flüchtlingslager Al-Maghazi seien Frauen und Kinder. Ein israelischer Militärsprecher sagte, es werde geprüft, ob die israelische Armee zu dem Zeitpunkt in dem Gebiet im Einsatz war. Ein Journalist der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu sagte der Nachrichtenagentur AFP, sein Haus sei teilweise eingestürzt, als ein Luftangriff das Haus seiner Nachbarn im Flüchtlingslager Al-Maghazi getroffen habe. Dabei seien zwei seiner Kinder getötet worden. Israel wirft der Hamas vor, Flüchtlingslager sowie UNO-Schulen und Krankenhäuser als Verstecke und Waffenlager zu missbrauchen. Die Hamas bestreitet dies.

Ausschaltung von Terroristen im Nahkampf

Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben während ihres Bodeneinsatzes im Gazastreifen bisher mehr als 2500 Ziele angegriffen. Dies sei im Verbund mit der Luftwaffe und der Marine geschehen. Die Truppen setzten die „Ausschaltung von Terroristen“ im Nahkampf fort, teilte die Armee am Sonntagmorgen mit. Am vergangenen Wochenende hatte das israelische Militär eine neue Phase im Krieg gegen die im Gaza herrschende palästinensische Organisation eingeläutet und seine Einsätze am Boden ausgeweitet.

Der Gazastreifen hat eine Länge von etwa 40 Kilometer und erstreckt sich über eine Fläche, die deutlich kleiner als Wien ist. In dem dicht besiedelten Gebiet leben mehr als 2,2 Millionen Menschen.

Die Truppen lenkten Kampfflugzeuge zu Angriffen auf die Infrastruktur der Hamas, auf Waffendepots, Beobachtungsposten sowie Kommando- und Kontrollzentren, teilte das israelische Militär am Sonntag mit. Auch in der Nacht seien Luftangriffe auf ein Militärgelände der Hamas geflogen worden, in dem sich Kommando- und Kontrollzentren, Beobachtungsposten und weitere terroristische Infrastruktur befänden.

Evakuierung nach Ägypten ausgesetzt

Die Hamas setzte unterdessen die Evakuierung von Ausländern und Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft aus dem Gazastreifen nach Ägypten aus. Grund sei die Weigerung Israels, verletzte Palästinenser in ägyptische Krankenhäuser bringen zu lassen, sagte ein Vertreter der Grenzübergangsverwaltung der Nachrichtenagentur AFP. „Kein ausländischer Passinhaber darf den Gazastreifen verlassen, bevor die Verletzten, die aus den Krankenhäusern im nördlichen Gazastreifen evakuiert werden müssen, zum Grenzübergang Rafah transportiert werden können“, sagte der Beamte, der nicht namentlich genannt werden wollte. Nach US-Angaben hatte die Hamas versucht, über den zeitweise geöffneten Grenzübergang Rafah eigene Kämpfer aus dem Gazastreifen hinaus zu schleusen.

Insgesamt hatten seit Mittwoch Hunderte Menschen den Gazastreifen über den Übergang Rafah verlassen. Ägypten kündigte am Donnerstag an, bei der Evakuierung von „etwa 7000“ Ausländern und Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft aus dem Palästinensergebiet zu helfen.

Weitere 30 Lastwagen mit Hilfsgütern

Unterdessen trafen im Gazastreifen weitere 30 Lastwagen mit Hilfsgütern ein. Die Güter seien dort an Teams des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) sowie des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA übergeben worden, teilte der Palästinensische Rote Halbmond am Samstagabend mit. Zudem habe der Ägyptische Rote Halbmond Güter geliefert. Wie zuvor kamen Essen, Wasser und Arzneimittel in den Gazastreifen. Insgesamt seien damit seit Beginn des Gaza-Kriegs Güter von 451 Lkw eingetroffen. Nach UN-Angaben sind täglich 100 Lkw-Ladungen notwendig, um die gut zwei Millionen Menschen im Gazastreifen mit dem Nötigsten zu versorgen.

Der israelische Verteidigungsminister Galant kündigte unterdessen an, den Hamas-Chef Yahya Sinwar im Gazastreifen aufspüren und töten zu wollen. Sinwar gilt als einer der Drahtzieher des Großangriffs auf Israel am 7. Oktober. Der 61-Jährige ist seit 2017 der politische Anführer der im Gazastreifen herrschenden Hamas.

Nach Angaben aus Sicherheitskreisen verstecken sich Sinwar und der militärische Hamas-Anführer Mohammed Deif im Tunnelsystem im Gazastreifen. Ihre Kämpfer hatten vor rund vier Wochen etwa 1400 Menschen in Israel grausam ermordet und mehr als 240 weitere entführt. Durch die anschließenden israelischen Angriffe in dem dicht besiedelten Palästinensergebiet wurden nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, mehr als 9400 Menschen getötet.

Galant sprach zudem von „schweren Kämpfen“ im Gazastreifen und sagte, Truppen seien in Wohngebiete eingedrungen. Erstmals seit Kriegsbeginn besuchte der israelische Generalstabschef Herzl Halevi Truppen im Gazastreifen.