Ein Foto auf Instagram. Und ein bisschen Häme im Netz. Sonst gab es nicht viel zum ersten Treffen zwischen Grünen und FDP nach der Wahl in Deutschland. „Auf der Suche nach einer neuen Regierung loten wir Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus. Und finden sogar welche“, erklärten die Grünen-Ko-Chefs Robert Habeck und Annalena Baerbock sowie die Spitzenliberalen Christian Lindner zeitgleich auf Instagram. Schon das war eine Botschaft. Denn anders, als von vielen kolportiert, stieg das grün-gelbe Treffen nicht am Mittwoch, sondern schon Dienstag. Ein erster Erfolg. Beide Seiten können dichthalten.

Denn eines haben sich Grüne und Liberale vorgenommen: 2017 soll sich nicht wiederholen. Bei den Verhandlungen zu  einer Jamaika-Koalition wurden die Ergebnisse damals pausenlos durchgestochen, bis hin zu Spiegelstrichen. Auch das unterminierte das Vertrauen.

Erstaunliche Schnittmengen

Dieses Mal soll es anders werden. „Zitrus“ nennt das Boulevardblatt „Bild“ das Bündnis leicht despektierlich. Doch zwischen Grünen und Liberalen zeigen sich erstaunliche Schnittmengen. Das zeigt die neue politische Mengenlehre. In der Außenpolitik etwa, da sind die Grünen zwar leicht proeuropäischer, aber im multilateralen Ansatz sind beide vereint und für den Abzug von Atomwaffen aus Deutschland kämpfte schon der FDP-Minister Guido Westerwelle. Schwieriger wird es in der Wirtschafts- und Steuerpolitik. Die Grünen wollen die schwarze Null aushebeln, das lehnen die Liberalen ab. Aber eine Lösung ist denkbar: Die grünen Investitionen in Klimaschutz könnten in eine eigene Investitionsgesellschaft ausgelagert werden. Unter dem Dach des Finanzministeriums gibt es etliche solcher Förderbanken, auch deshalb streben Habeck und Lindner nach dem Amt.

In Steuerfragen könnte die FDP die vollständige Streichung des Solidaritätszuschlags bejubeln, die Abgabe für den Aufbau Ost hatte das Verfassungsgericht ohnehin schon bemängelt. Selbst beim Klima gibt es Überschneidungen, beide Parteien verfolgen unterschiedliche Ansätze – Stichwort „Verbotspartei“. Aber den Verbrennungsmotor muss kaum mehr jemand 2035 verbieten, die deutsche Autoindustrie hat den vorzeitigen Ausstieg aus der Technik ohnehin schon angekündigt.

Bei Jungwählern beliebt

In Deutschland riecht es nach Zitrus im Herbst. Schon entdecken beide Parteien überraschende Gemeinsamkeiten. FDP und Grüne stellen bei den Jungwählern mit je rund 25 Prozent die stärksten Kräfte. „Mir scheint, dass die Ideen von Freiheit und Individualismus sehr attraktiv sein können für junge Wähler entgegen dem Mythos, dass es ihnen nur um Solidarität und soziale Gerechtigkeit geht“, sagte Wahlforscher Pawel Zerka vom European Council on Foreign Relations (ECFR) der Zeitung „Die Welt“. Fridays for Future trifft die jungen Digital-Optimisten.

Die Querschüsse kommen aus den eigenen Reihen. Bei den Grünen macht die Parteilinke gegen einen Vizekanzler Habeck mobil. „Das entscheidet die Partei“, meckerte der frühere Umweltminister Jürgen Trittin und fürchtet Jamaika mit Habeck. In der FDP wird die Unruhe in der Union registriert, dennoch machen sich Bürgerliche wie der Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff für Schwarz-Grün-Gelb stark. Und Olaf Scholz. Bleibt ruhig wie immer. „Das wird eine schwere Zeit, aber ich sage auch zum Schluss, wenn wir die Regierung gebildet haben, dann soll sie auch so gut sein“, sagte er bei einem Parteitreffen. Für SPD und Union gilt jetzt die alte Mikado-Regel: Nur nicht wackeln! Die beiden anderen entscheiden.