Die junge Frau ist französisch-israelische Staatsbürgerin, und wohl gerade deshalb von der Hamas ausgewählt, um zu vermitteln, dass sie Ausländern keinen Schaden zufügen wolle.
Mia lebt!
Der kurze Clip zeigte eine junge Frau, wie sie nach einer Armverletzung behandelt wird und später in die Kamera spricht. Sie sieht zutiefst verängstigt aus. Mia erzählt auf Hebräisch, dass sie nach einer Party am Samstagmorgen „nach Gaza mitgenommen“ wurde. Sie habe eine schwere Verletzung, sei operiert worden und erhalte Medikamente. „Hakol beseder“, fügt sie hinzu, „alles in Ordnung“. Doch natürlich ist nichts in Ordnung. Mia wurde nach dem Nova-Musikfestival entführt, bei dem mindestens 260 meist junge Menschen kaltblütig ermordet wurden.
In dem Film fleht die Entführte, die aus Schoham im Zentrum Israels stammt: „Ich bitte nur darum, nach Hause zurückzukehren, zu meinen Eltern und Geschwistern. Bringen Sie mich so schnell wie möglich hier raus. Bitte!“ Mias Mutter, Keren Schem, bestätigte, dass es sich um ihre Tochter handelt. Sie sei fast ohnmächtig und zu Boden gefallen, als sie das Video sah. „Ich weiß, dass mein Baby lebt. Vorher gab es nur die Annahme, dass sie gekidnappt wurde. Wir wussten nichts.“ Man sehe, dass sie Schmerzen habe und Angst. „Aber ihr Zustand scheint stabil zu sein“, so Schem. Die ganze Familie sei „glücklich“ über das Lebenszeichen.
Die Veröffentlichung erfolgte, nachdem Hamas-Militärsprecher Abu Obeida erklärt hatte, es gebe aufgrund von „Sicherheits- und praktischen Schwierigkeiten keine endgültige Zählung von Gefangenen“. Es seien zwischen 200 bis 250 Verschleppte in Gaza, 200 von ihnen in den Händen der Hamas. Weitere 50 würden von „anderen Widerstandsgruppen und an anderen Orten“ festgehalten. Ausländische Geiseln seien „unsere Gäste“, behauptete Abu Obeida und versprach, sie zu beschützen und freizulassen, wenn die Bedingungen es zuließen.
Die israelische Armee IDF erklärte, dass „die Hamas in dem Video versucht, sich als humanitäre Organisation darzustellen, obwohl sie in Wirklichkeit eine mörderische Terrorgruppe ist“.
Am Dienstag hatte sich nach mehr als einer Woche zum ersten Mal Premierminister Benjamin Netanyahu mit Angehörigen von Geiseln getroffen, ursprünglich Vertretern von fünf Familien. Doch plötzlich seien unerwartet vier Mitglieder einer Familie, die zuvor nicht bekannt war, in den Raum gekommen und hätten sich in die Diskussion eingemischt, berichtete ein anwesender Journalist. Einer von ihnen sagte, dass er seine Tochter „nicht weniger liebt als die anderen“, aber am Ende müsse man das gesamte Volk und die Existenz Israels betrachten. Der Mann habe Netanyahu aufgefordert, „kühl und entschlossen zu handeln“. Die Aussagen sorgten für einen Aufruhr und wurden von anderen Familien kritisiert, denn sie werden als Befürwortung der massiven IDF-Angriffe auf Gaza bewertet, die auch das Leben der Geiseln gefährden.
Kein Angriff, der das Volk gefährdet
Der Sprecher der israelischen Armee IDF, Daniel Hagari, sagte später während einer Pressekonferenz, dass man große Anstrengungen unternehme, um herauszufinden, wo sich die Geiseln in Gaza befinden, „und wir verfügen über solche Informationen“. Auf eine Frage antwortete er: „Wir führen keinen Angriff durch, der unser Volk gefährden würde.“
Währenddessen versuchen israelische Offizielle gemeinsam mit dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes, Zugang zu den Geiseln zu erhalten. Professor Hagai Levine, Vorsitzender der israelischen Ärztevereinigung, erklärte: „Wir hören über die Leiden der Opfer, viele mit Behinderungen, Babys ab neun Monate, Menschen mit gesundheitlichen Problemen, ein Kind mit Autismus, Frauen und Männer, die dringend Medikamente benötigen. „Es ist ein unglaubliches Elend“.
„Es ist Folter, sie ohne jegliche medizinische Versorgung festzuhalten, und wir richten diesen Aufschrei im Namen der Familien an unsere Kollegen im internationalen Gesundheitssystem und an die Medien, um Druck auf Hamas auszuüben“, hob Levine hervor. „Natürlich wollen wir, dass alle Geiseln freigelassen werden. Aber zumindest, dass sie medizinische Versorgung erhalten.“
Sabine Brandes (Tel Aviv)