Die USA befürchten nach Angaben des Weißen Hauses eine Eskalation des Krieges zwischen Israel und der Hamas sowie ein direktes Eingreifen des Iran. Der Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, sprach im US-Sender CBS am Sonntag über eine mögliche neue Front an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon und fügte hinzu: "Wir können nicht ausschließen, dass Iran sich auf irgendeine Weise direkt einmischen wird."
"Wir müssen uns auf alle möglichen Eventualitäten vorbereiten", sagte Sullivan weiter. Da den USA das Risiko von Beginn an bewusst gewesen sei, habe US-Präsident Joe Biden schnell reagiert, zunächst einen Flugzeugträger ins östliche Mittelmeer geschickt und eine "deutliche Botschaft" an alle gesendet, die aus der Situation einen Vorteil zu ziehen versuchten. Am Samstag hatte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin die Entsendung eines zweiten Flugzeugträgers verkündet.
Macron warnt Raisi
Der französische Präsident Emmanuel Macron warnte seinen iranischen Amtskollegen Ebrahim Raisi am Sonntag persönlich vor einer "Ausweitung" des Konflikts. Der Iran trage angesichts seiner Beziehungen zur Hisbollah und zur Hamas "eine Verantwortung" und müsse alles tun, um einen Flächenbrand zu verhindern, teilte der Élysée-Palast am Sonntag mit.
US-Außenminister Antony Blinken betonte nach einer Tournee durch die Region, dass auch die arabischen Verbündeten der USA eine Ausweitung des Konflikts verhindern wollen. "In jedem Land, das ich besucht habe, herrscht Entschlossenheit, dafür zu sorgen, dass sich der Konflikt nicht ausweitet", sagte Blinken am Sonntagabend in der ägyptischen Hauptstadt Kairo. "Niemand sollte anderswo Öl ins Feuer gießen." Die arabischen Verbündeten der USA wollen "ihre eigenen Beziehungen nutzen, um sicherzustellen, dass so etwas nicht passiert." Blinken war nach dem Großangriff der Hamas zu einem Solidaritätsbesuch nach Israel gereist und hatte in den vergangenen Tagen außerdem mehrere weitere Länder in der Region besucht, darunter Jordanien, Saudi-Arabien, Katar und Ägypten. Nach seinen Gesprächen in Ägypten flog er am Sonntagabend erneut nach Israel.
Iran schickt gemischte Signale
Der Iran schickte indes gemischte Signale. So sagte Außenminister Hossein Amir-Abdollahian, es könne niemand dafür garantieren, dass der Konflikt sich nicht ausweite, sollte Israel seine "Angriffe auf die wehrlose Bevölkerung des Gazastreifens fortsetzen. Dagegen teilte die iranische UNO-Vertretung mit, dass das iranische Militär nicht eingreifen werde, "vorausgesetzt, die israelische Apartheid wagt es nicht, den Iran, seine Interessen und Bürger anzugreifen". "Die Widerstandsfront kann sich selbst verteidigen", hieß es mit Blick auf die Hamas.
Der israelische Verteidigungsminister Yoav Galant betonte indes, dass sein Land keinen Krieg mit dem Libanon wolle. "Wir wollen keine Eskalation der Lage", sagte er bei einem Treffen mit israelischen Soldaten am Rande des Gazastreifens. "Aber wenn jemand einen Fehler macht, wird er den Preis zahlen." Israel habe "das Auge am Fernrohr, das Ohr am Telefon und den Finger am Abzugshahn", betonte er. Die Hisbollah werde einen "sehr hohen Preis zahlen", wenn sie den Weg des Krieges wähle. "Aber wenn sie sich zügelt, werden wir dies respektieren und die Lage so bewahren, wie sie ist."
Ziele im Libanon angegriffen
Zwischen dem Libanon und Israel kam es indes auch am Sonntag zu zahlreichen gewaltsamen Auseinandersetzungen. Die israelische Armee griff eigenen Angaben zufolge am Sonntagabend erneut Ziele der Hisbollah im Libanon an. Zuvor erklärte sie einen vier Kilometer breiten Streifen im Grenzgebiet zu einer Sperrzone. Es sei verboten, diese Zone zu betreten, teilte die israelische Armee am Sonntag mit. Dort wohnende Zivilisten "in bis zu zwei Kilometern Entfernung von der Grenze sind angewiesen, sich nahe Schutzräumen aufzuhalten", hieß es weiter. In aktiven Kampfzonen werde außerdem die Verwendung von GPS-gestützten Navigationssystemen eingeschränkt. Zivilisten in der Region müssten wissen, dass dies zu Störungen führen könne.
Nach israelischen Armeeangaben wurden am Sonntag neun Raketen aus dem Libanon abgefeuert. Die Raketenabwehr habe fünf der Geschoße abgefangen. Die israelische Armee habe das Feuer erwidert und die Abschussorte im Libanon angegriffen, hieß es in der Mitteilung. Durch Raketenbeschuss wurde auch das Hauptquartier der UNO-Mission UNIFIL im Libanon getroffen, doch gab es nach Angaben der Vereinten Nationen keine Verletzten.
Raketenschüsse auf Israel aus Libanon
Die erneute Raketenabschüsse auf Israel seien "eine Warnung" und eine Vergeltung für israelische Aktionen, hieß es am Sonntag aus Kreisen, die der Schiitenorganisation nahe stehen. Es bedeute nicht, dass die Hisbollah in den Konflikt eingestiegen sei. Bei einem weiteren Angriff der Hisbollah-Miliz auf Israel war am Sonntag nach Angaben von israelischen Sanitätern ein etwa 40 Jahre alter Mensch getötet worden. Drei weitere Männer seien verletzt worden. Die israelische Nachrichtenseite ynet berichtete, bei dem Todesopfer handle es sich um einen Arbeiter in der Ortschaft Shtula.
Die Hisbollah gilt als deutlich schlagkräftiger als die Hamas. Seit dem letzten Krieg mit Israel 2006 hat sie ihre Fähigkeiten massiv ausgebaut. Nach neuesten Schätzungen der israelischen Armee verfügt die Organisation über ein Arsenal von mehr als 100.000 Raketen.