Die Stimmung war sehr aufgeheizt. Die Demonstranten schrien lauthals Parolen, doch die Polizei löste die Versammlung trotz mehrmaliger Ankündigung nicht auf. Die Menge versuchte später in Richtung Schwedenplatz zu ziehen, wurde jedoch von der Polizei aufgehalten.

In weiterer Folge führte die Exekutive hunderte Identitätsfeststellungen durch und machte insgesamt 304 Anzeigen. Laut der Landespolizeidirektion Wien wurde eine Person nach dem Strafgesetzbuch angezeigt, 292 nach dem Versammlungsgesetz und elf weitere aufgrund anderer verwaltungsrechtlicher Delikte.

"Nahost-Konflikt darf nicht auf die Straßen Wiens kommen"

Polizeipräsident Gerhard Pürstl hatte zuvor bei einem kurzfristig einberufenen Pressetermin in der Landespolizeidirektion erläutert, dass man verhindern müsse, "dass der gewalttätige Konflikt im Nahen Osten auf die Straßen Wiens getragen wird". Pürstl berief sich auf jüngste nachrichtendienstliche Erkenntnisse, denen zufolge die ursprünglich als "Mahnwache in Solidarität mit Palästina" angemeldete Veranstaltung in "eindeutige Gewaltaufrufe" in Richtung des Staates Israel münden hätte können.

Im Vorfeld seien im Internet Einladungen zu der Kundgebungen mit von der Hamas verwendeten Codes verbreitet worden, die ein freies Palästina und die vollständige Auslöschung Israels gutheißen bzw. propagieren. Die Veranstalterin der Kundgebung habe sich davon nicht distanziert, weshalb man sich nach einer "ganz sorgfältigen Abwägung" dazu entschlossen habe, die Veranstaltung nicht stattfinden zu lassen, erläuterte Pürstl.

Die Polizei versicherte, dass man "alles tun" werde, dass die für 19.00 Uhr geplant gewesene Pro-Palästina-Demo nicht über die Bühne gehen wird, bekräftigte Pürstl auf Nachfrage von Medienschaffenden. Sicherheitskräfte "in ausreichender Anzahl" würden dafür Sorge tragen. Die Polizei hatte zunächst mit 200 bis 250 Teilnehmenden an der Kundgebung gerechnet - darunter offenbar auch Sympathisanten der Hamas mit "gewaltspezifischem Ideengut", wie Pürstl anmerkte.

Demo zunächst noch erlaubt

Am Vormittag hatte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) noch keinen Grund gesehen, die pro-palästinensische Demonstration zu untersagen. Das Versammlungsrecht sei "in einer wehrhaften, freien Demokratie eines der höchsten Güter", argumentierte Karner. Die Einschätzung der Lage dürfte sich nach im weiteren Verlauf des Tages gewonnenen Erkenntnissen der Direktion Staatsschutz Nachrichtendienst (DSN) geändert haben, zu denen Polizeipräsident Pürstl keine Details bekanntgeben wollte. Angemeldet hatte die Mahnwache eine Organisation namens "BDS Austria", die sich für "Sanktionen gegen Israel bis zum Ende von Apartheid und Besatzung in Palästina" ausspricht.

Indes fand ab 18.30 Uhr am Ballhausplatz eine Gedenkveranstaltung für die Opfer und Vermissten in Israel statt. Initiiert hat diese die Israelitische Kultusgemeinde.