Das Säbelrasseln begleitet Israel seit Beginn seiner Staatsgründung. Doch in den letzten Tagen wurde es still. Mit einer Gewalteskalation hatten die wenigsten gerechnet. Am Samstag wich die Stille ohrenbetäubendem Lärm, als im ganzen Land Raketen niedergingen und Sirenen losheulten. Die Hamas startete ihren Angriff. Die Armee, die Regierung und die Bevölkerung wurden überrascht.

Die Ruhe vor dem Sturm

"Die Stimmung war gelassen und ruhig", erzählt Stefan Jäger, der selbst erst vor einer Woche in Tel Aviv und Jerusalem war. Gerade in Tel Aviv wäre ohnehin wenig Militär oder Polizei auf den Straßen. Das Leben hätte ganz normal seinen Lauf genommen, eine drohende Eskalation des Konfliktes war nicht spürbar. Auch nicht in Jerusalem, wo das Militär und die Polizei aufgrund der Bedeutung des Ortes präsenter sind. "Hier wird darauf geachtet, dass es zu keiner Eskalation oder Provokation kommt", sagt Jäger.

Sicherheitsmaßnahmen im Alltag sind die Menschen gewohnt. "Wenn man eine Tasche herumliegen sieht, meldet man es, bei einem Kinobesuch wird man sehr genau gefilzt – die Kontrollen gehören zum Alltag", erzählt Susanne Shaked, Generalsekretärin der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft. Doch man hätte gelernt, mit diesen Einschränkungen zu leben, ebenso, wie man sich an Angriffe gewöhnt hatte. "Ein Anschlag, so schrecklich er auch ist, schockiert nur noch selten", sagt Shaked. Seit Jahresbeginn wurden 27 Israelis, eine Ukrainerin und ein Italiener bei Anschlägen getötet. Im selben Zeitraum kamen mehr als 200 Palästinenser bei israelischen Militäreinsätzen, Konfrontationen oder nach eigenen Anschlägen ums Leben. Auch am Samstag starben ebenso viele Palästinenser bei israelischen Angriffen, die als Reaktion erfolgten.

"Was auffällt, ist, dass viele Soldatinnen und Soldaten mit Maschinengewehren durch das Land laufen, aber auch das gehört dazu", erzählt Jäger. Hinweise auf eine Eskalation hätte es nicht gegeben. Doch der entspannten Lage war nicht zu trauen. Die Hamas schickte mehr als 2200 Raketen aus dem palästinensischen Gazastreifen auf Israel. Wenig später überschritten Kämpfer der Hamas die gut bewachte Grenze.

In den Straßen kam es zu Schusswechseln, bei denen auch Ofir Liebstein – Präsident des Regionalrats der israelischen Grenzorte nordöstlich des Palästinensergebiets – getötet wurde. Mindestens 40 Personen dürften ihr Leben verloren haben. Drei Soldaten wurden von den Hamas gefangen genommen. Neu ist auch dieses Vorgehen nicht. Am 25. Juni 2006 nahmen Hamas-Kämpfer den israelischen Wehrpflichtigen Gilad Shalit bei einem Überfall gefangen. Fünf Jahre später kam es zum Gefangenenaustausch: Für Shalit kamen 1027 palästinensische Häftlinge frei. Wie es dieses Mal mit den israelischen Gefangenen weitergeht, ist ebenso unklar wie viele andere große Fragen derzeit. 

Die Menschen in Israel begleiten nun unterschiedliche Gefühle. "Manche meiner Freunde sind so verängstigt wie nie, manche sind so gelassen wie immer", sagt Shaked.