"Nehmen wir an, du bist ein Idiot. Und nehmen wir an, du bist ein Mitglied des Kongresses. Aber ich wiederhole mich." An diesen boshaften Spruch von Mark Twain über die US-Gesetzgeber fühlen sich viele Amerikaner gerade erinnert. Denn nach nur neun Monaten wurde Kevin McCarthy, Sprecher der Republikaner im Repräsentantenhaus, abgewählt – durch die Demokraten, die aber nur dank der Unterstützung einer rechten Splitterfraktion der Republikaner die Mehrheit hatten.
Rechter und ultrarechter Flügel
Und das, nachdem die gleichen rechten Hardliner McCarthy schon mehrfach bei seiner Wahl hatten durchfallen lassen. Und ohnehin ist der Ex-Sprecher alles andere als ein Liberaler. Der Republikaner aus Kalifornien wird selbst dem rechten Flügel zugerechnet: Er hat zuletzt dem eher grundlosen Amtserhebungsverfahren gegen US-Präsident Joe Biden zugestimmt. Aber das half ihm nicht beim ultrarechten Flügel.
In einem Anfall von Realpolitik hatte McCarthy an diesem Wochenende, kurz vor dem Scheitern der Haushaltsverhandlungen, einen Kompromiss mit den Demokraten sowie den eigenen Rechtsaußen-Leuten gefunden. Das hat die Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung abgewendet, nur Stunden, bevor sie eingetreten wäre.
Aber, Undank ist der Welt Lohn, die Demokraten haben trotzdem die erste Gelegenheit ergriffen, dem politischen Gegner eins auszuwischen. Und letztlich kam sein Versuch, überparteilich zu wirken, auch zu spät. Manche Demokraten hoffen gar, so ihren eigenen Vorsitzenden als Sprecher durchsetzen zu können, Hakeem Jeeffries, falls sich genügend Abweichler bei den Republikanern finden.
Das wird nicht passieren. Das Repräsentantenhaus ist schwer zerstritten und polarisiert. Beide Parteien hoffen, ihre Wähler mit den Kraftspielchen beeindrucken zu können, denn der Wahlkampf von 2024 wirft bereits Schatten voraus. Und das gilt erst recht für die Republikaner und ihre flügelinternen Machtkämpfe.
Was bringt 45-Tage-Kompromiss?
Was nun? Es gibt zwar bereits einen amtierenden Sprecher mit deutlich weniger Machtfülle – dessen erste Verordnung war, McCarthys demokratischer Vorgängerin Nancy Pelosi ihr Büro wegzunehmen –, aber ansonsten ist nun vieles lahmgelegt. Das gilt insbesondere für die Haushaltsverhandlungen, für die ja nur ein 45-Tage-Kompromiss gefunden wurde. Aber auch die Probleme mit der Immigration, der Grenzsicherung und die Hilfe für die Ukraine sind nun auf der langen Bank.
Der Wähler wird es nicht honorieren, wenn in den Wochen vor Weihnachten Bundesangestellte und Soldaten keine Gehälter mehr bekommen und die Post lahmgelegt wird. Letztlich pokern beide Parteien darauf, dass die Wähler der jeweils anderen Fraktion die Schuld an dem Zirkus in Washington geben. Beliebter wird das den in der Bevölkerung ohnehin schon verhassten Kongress bestimmt nicht machen.
Eva Schweitzer (New York)