Einen Regierungswechsel wird es in der Slowakei nach den Parlamentsparteien vom Samstag auf jeden Fall geben. Stärkste Partei wurde nach dem am Sonntag von der staatlichen Wahlkommission veröffentlichten Endergebnis die linksnationale größte Oppositionspartei "Richtung – Slowakische Sozialdemokratie" (Smer-SSD) des ehemaligen Langzeit-Regierungschefs Robert Fico. Ein nach Korruptionsskandalen seiner Parteifreunde politisch Totgesagter scheint damit wieder auferstanden.
Viele Fragen sind nun offen
Dass Fico tatsächlich die künftige Regierung führen wird, ist damit aber noch nicht ausgemacht. Von der Regierungsbildung in Bratislava wird auch die weitere Militärhilfe für die Ukraine abhängen. Statt Fico könnte auch die zweitstärkste Partei die Führung einer Mehrparteienkoalition übernehmen. Das ist die liberale Newcomer-Partei "Progressive Slowakei" (PS) mit dem EU-Parlamentarier Michal Simecka an der Spitze. Bei der letzten Wahl 2020 hatten die Liberalen knapp den Parlamentseinzug verpasst, diesmal schienen sie nach ersten Prognosen schon glückliche Sieger zu sein, ehe die tatsächliche Stimmen-Auszählung sie ernüchtern ließ. Die Fico-Partei Smer-SSD kam auf 22,9 Prozent der Stimmen, die vom jugendlich wirkenden Simecka geführte PS immerhin auf 18 Prozent.
Die Wahlbeteiligung lag bei 68,5 Prozent der 4,4 Millionen Stimmberechtigten. Als wahrscheinlich gilt jetzt, dass Fico die drittplatzierte Partei "Stimme – Sozialdemokratie" (Hlas-SD) seines ehemaligen Stellvertreters Peter Pellegrini zu Koalitionsgesprächen einlädt. Diese liberalere Sozialdemokraten-Partei hatte sich vor drei Jahren von Ficos Smer-SSD abgespalten und kam nun mit 14,7 Prozent auf Platz drei. Einig sind sich Fico und Pellegrini darin, dass die Slowakei einen starken Sozialstaat brauche. In der Frage der Ukraine-Hilfe gehen ihre Ansichten aber auseinander. Während Fico dem Nachbarland nur mehr mit zivilen Gütern helfen will, steht Pellegrini ähnlich positiv zur Militärhilfe wie die bürgerlichen Parteien.
Vorwurf, er sei "pro-russisch"
Seine Kritik an der Ukraine-Waffenhilfe hatte Fico von seinen Gegnern den Vorwurf eingetragen, er sei "pro-russisch" und wolle die Slowakei an Moskau statt am Westen orientieren. In seiner ersten Pressekonferenz am Sonntagnachmittag nach dem Wahlsieg gab er sich betont freundlich und schien Kreide gefressen zu haben: "Die außenpolitische Orientierung der Slowakei wird sich nicht ändern", versprach er. "Wir sind doch ein verantwortungsvolles Mitglied der EU und Nato." Allerdings werde man auch Kritik äußern, wenn notwendig. Und damit kam er zum Punkt, der internationale Beobachter wohl am meisten interessierte.
Fico hatte stets auch jene Sanktionen kritisiert, die der von russischem Öl und Gas abhängigen Slowakei mehr als Russland schadeten. Und mit den Waffenlieferungen an die Ukraine verstricke man sich selbst in den Krieg, warnte er wiederholt. Dass die Ukraine auch mit einer Smer-Regierung weiter unterstützt werde, aber eben nicht mit Waffen, stellte er immer wieder klar. Dafür auch eine Mehrheit im Parlament zu bekommen, wird er aber wohl nicht schaffen. Sein längst von ihm emanzipierter Ex-Stellvertreter und nunmehriger Wunsch-Partner Pellegrini hat gegenüber Fico noch den Trumpf im Ärmel, dass er auch mit der liberalen PS eine Koalition gegen ihn statt mit ihm bilden könnte.
Fico hat nicht viele Möglichkeiten
Dann wäre die weitere Waffenhilfe an die Ukraine gesichert. Fico hingegen steht keine andere Koalitionsmöglichkeit offen. Vor allem von Hlas-SD wird daher abhängen, wer die nächste Regierung führt. In jedem Fall wird aber für eine Parlamentsmehrheit noch mindestens eine weitere Partei benötigt. Für Fico kommt nur die pro-russische Slowakische Nationalpartei SNS infrage. Wendet sich Pellegrini hingegen der PS zu, stehen mehrere weitere Kleinparteien als Partner zur Verfügung.
Aber der Sozialdemokrat Pellegrini stünde dann mit seiner Vision eines "starken Staates" allein einer Gruppe von Koalitionsparteien mit entgegengesetzten Zielen, also Deregulierung und schlanker Staat, gegenüber.