Der ehemalige italienische Präsident Giorgio Napolitano ist Freitagabend 98-jährig in einem Krankenhaus in Rom gestorben. Napolitano war der erste Präsident in der Geschichte der Republik, der das Amt zweimal ausübte: 2013 wurde er erneut in den Quirinalspalast gewählt, nachdem er 2006 das erste Mal zum Staatsoberhaupt gekürt worden war. Der Tod Napolitanos löste Trauer in Roms politische Szene aus. "Ein großer Teil der Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts spiegelt sich im Leben von Giorgio Napolitano wider", kommentierte Präsident Sergio Mattarella, der seinen Vorgänger als "Garant der Werte der Verfassung und unserer Gemeinschaft" würdigte.
Das Krankheitsbild des Senators auf Lebenszeit war schon seit einiger Zeit komplex. Im Mai 2022 unterzog sich der ehemalige Staatspräsident einer Bauchoperation in der Spallanzani-Klinik in Rom. Schon 2018 musste sich er sich nach einer plötzlichen Krankheit einer Operation an der Aorta unterziehen.
Ehemaliger Kommunist
Mit Napolitano bekleidete erstmals in der Geschichte der italienischen Republik ein ehemaliger Kommunist das Amt des Staatsoberhaupts, das er von 2006 bis 2015 inne hatte. Er war auch der erste italienische Präsident, der für eine zweite Amtszeit gewählt wurde, trat jedoch vor deren Ablauf aufgrund seines hohen Alters im Jänner 2015 zurück.
Der 1925 geborene Napolitano stammte, wie aus seinem Familiennamen hervorgeht, aus Neapel. Er absolvierte in den 1940er-Jahren ein Jurastudium an der Universität Neapel, welches er 1947 erfolgreich abschloss. Parallel dazu war er ab 1942 bei der faschistischen Studentenorganisation GUF aktiv. 1945 trat er dem Partito Comunista Italiano (PCI), der größten Kommunistischen Partei im Westen, bei. Seine ersten politischen Schritte unternahm er unter dem Flügel des charismatischen Kommunistenchefs Palmiro Togliatti. 1953 schaffte Napolitano als 28-Jähriger den Sprung ins Parlament. Aktiv arbeitete er mit Togliattis Nachfolger Enrico Berlinguer für den "historischen Kompromiss" mit den Christdemokraten zusammen, der jedoch nicht zustande kam.
Heikler Posten für Napolitano
Der ursprünglich moskautreue Kommunist schloss sich im Laufe der 1980 Jahre dem sozialdemokratischen Flügel seiner Partei an. Nach dem Fall der Berliner Mauer setzte er sich aktiv für die Umwandlung der Kommunistischen Partei in eine sozialdemokratische Kraft ein, die Partei der Demokratischen Linken (PDS) getauft wurde. 1992 übernahm der Vater von zwei Söhnen den Posten des Präsidenten der italienischen Abgeordnetenkammer, den der zum Staatsoberhaupt gewählte Christdemokrat Oscar Luigi Scalfaro frei gemacht hatte. Nach dem Sieg des Mitte-Links-Anführers Romano Prodi bei den Parlamentswahlen 1996 übernahm er den heiklen Posten des Innenministers.
Die neuerliche Wende in seinem Leben kam 2005, als ihn der damalige Präsident Carlo Azeglio Ciampi wegen seiner Dienste für die italienische Demokratie zum Senator auf Lebenszeit ernannte. 2006 wurde Napolitano im vierten Wahlgang zum Staatspräsidenten gewählt. Sieben Jahre später wurde er für ein zweites Mandat wiedergewählt, nachdem Ex-EU-Kommissionschef Prodi bei der Wahl gescheitert war.
Am längsten währende Amtszeit
Napolitano hält mit 3.166 Tagen die am längsten währende Amtszeit eines italienischen Präsidenten. Am 31. Dezember 2014 verkündete er in seiner Neujahrsansprache an das italienische Volk, dass er aufgrund seines hohen Alters (zu diesem Zeitpunkt 89 Jahre) einen baldigen Rücktritt anstrebe. Am 14. Jänner 2015 schließlich unterzeichnete er seine Rücktrittserklärung und schied aus dem Amt. Im 31. Jänner 2015 wurde zu Napolitanos Nachfolger Sergio Mattarella gewählt, der immer noch im Amt ist.
Reaktionen
Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni kondolierte der Familie Napolitanos. Auch Expremier Mario Draghi würdigte den verstorbenen Staatschef. "Präsident Napolitano war ein absoluter Protagonist der italienischen und europäischen Geschichte der letzten 70 Jahre. Als Präsident der Republik, Präsident der Abgeordnetenkammer und Innenminister war er in der Lage, den Dialog mit allen politischen Kulturen mit der Fähigkeit zu verbinden, mit Weisheit und Mut zu handeln und die Bürger und die Verfassung zu schützen", so der ehemalige EZB-Chef.
Auch der Papst gedachte Napolitanos. "Sein Tod hat in mir Gefühle der Ergriffenheit und zugleich der Dankbarkeit für diesen Staatsmann geweckt, der bei der Ausübung seiner hohen institutionellen Ämter große intellektuelle Gaben und eine aufrichtige Leidenschaft für das politische Leben Italiens, sowie ein lebhaftes Interesse für das Schicksal der Nationen an den Tag gelegt hat. Ich erinnere mich dankbar an die persönlichen Begegnungen, die ich mit ihm hatte", so der Papst in einem Telegramm an Napolitanos Frau Clio Bittoni.