Die 15 Richter des israelischen Obersten Gerichtshofes tagen heute erstmals, um sich mit Petitionen gegen ein geplantes Gesetz zu befassen, das Teil der umstrittenen Justizreform der rechts-religiösen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist. Opposition und Hunderttausende Israelis machen seit Monaten dagegen mobil.
Die Reform würde die Kompetenzen der Justiz stark beschneiden, viele sehen den Rechtsstaat in Gefahr. Sollten sich die Höchstrichter nun gegen das Gesetz stellen und die Regierung die Entscheidung nicht akzeptieren, droht dem ohnehin schon gespaltenen Land eine Staatskrise. Die Beratungen könnten mehrere Wochen dauern.
Mann fuhr mit Auto in Gruppe Demonstrierender
Im Vorfeld der Verhandlung kam es erneut zu heftigen Protesten. Mehrere Hundert Demonstranten versammelten sich am Montagvormittag in der Stadt Modiin vor dem Haus von Justizminister Yariv Levin. Vereinzelt kam es Berichten zufolge zu Konfrontationen mit der Polizei. Am Abend war eine große Kundgebung in Jerusalem vor dem Obersten Gericht geplant.
Bei einer Demonstration in Tel Aviv fuhr am Samstagabend ein Mann mit seinem Auto in eine Gruppe, die die Fahrbahn blockierte. Nach Angaben der Polizei wurden fünf Menschen leicht verletzt. Der Fahrer wurde demnach festgenommen. Der Fahrer wurde nach Angaben vom Sonntag wieder auf freien Fuß gesetzt. Er habe der Polizei erklärt, im Stress habe er das Gas- und Bremspedal verwechselt.
"Zu gut, um wahr zu sein"
Gespräche über einen Kompromiss mit der Opposition unter Leitung von Präsident Yitzhak Herzog verliefen bisher im Sand. Am Montag berichteten mehrere israelische Medien, dass sich Ministerpräsident Benjamin Netanyahu für eine einseitige Abschwächung des Gesetzes ohne Zustimmung der Opposition einsetzen soll. Unklar war jedoch, ob er dafür innerhalb seiner Koalition genügend Unterstützung bekommt.
Oppositionsführer Yair Lapid sagte, er habe davor gewarnt, dass kurz vor der Gerichtsverhandlung ein Kompromissvorschlag auftauchen würde, der "zu gut aussehen würde, um wahr zu sein". Dabei warf er Netanyahu vor, vor einem möglichen Treffen mit US-Präsident Joe Biden in den USA Zeit schinden zu wollen. Oppositionspolitiker Benny Gantz signalisierte, er wäre bereit, einen Kompromiss zu akzeptieren. "Wenn eine Lösung auf dem Tisch liegt, die die Demokratie schützt, werde ich da sein." Dabei sei ihm egal, was Netanyahus Motiv sei.
Den Berichten zufolge sieht der mögliche Kompromissvorschlag unter anderem vor, das verabschiedete Gesetz zu überarbeiten und weitere Teile des umfassenden Gesetzesvorhabens für 18 Monate auf Eis zu legen.