Die deutsche Bundesanwaltschaft hat einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) und einen mutmaßlichen Komplizen angeklagt, weil sie geheime Informationen an den russischen Geheimdienst FSB verraten haben sollen. Sie wirft den beiden Deutschen zwei Fälle von besonders schwerem Landesverrat vor, wie die Behörde am Freitag in Karlsruhe mitteilte. Das Berliner Kammergericht muss über die Zulassung der Anklage und einen möglichen Prozess entscheiden.
U-Haft seit Dezember
BND-Mitarbeiter Carsten L. war am 21. Dezember vergangenen Jahres in Berlin festgenommen worden und kam in Untersuchungshaft. Er soll nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im vergangenen Jahr Informationen, die er im Zuge seiner Arbeit beim BND erlangt hat, an Russland übermittelt haben. Bei den ausspionierten Informationen handelte es sich den Angaben der Bundesanwaltschaft zufolge um ein Staatsgeheimnis im Sinne des Strafgesetzbuchs.
Interne Dokumente abfotografiert
Die oberste Anklagebehörde Deutschlands geht davon aus, dass L. bei zwei Gelegenheiten im vergangenen September und Oktober neun interne Dokumente des BND an seinen Arbeitsplätzen in Berlin und Pullach bei München ausgedruckt oder abfotografiert hatte. Bei den Daten gehe es um technische Informationsgewinnung – genauer teilte es die Bundesanwaltschaft nicht mit.
Im Jänner ließ die Bundesanwaltschaft Arthur E. als mutmaßlichen Mittäter verhaften. Der Deutsche soll die von L. ausspionierten geheimen Informationen nach Russland gebracht und dort dem Geheimdienst übergeben haben. Beamte des Bundeskriminalamtes hatten ihn bei der Einreise aus den USA am Flughafen München festgenommen. Die Ermittlungen dazu seien in enger Zusammenarbeit mit dem BND und mit Unterstützung der US-Bundespolizei FBI geführt worden, hieß es.
Russischer Geheimdienst bezahlte
Laut der aktuellen Mitteilung soll der FSB Carsten L. 450.000 Euro und Arthur E. mindestens 400.000 Euro für ihre Dienste gezahlt haben. L. habe E. geholfen, bei einer Wiedereinreise am Zoll vorbeizukommen. Die beiden hätten sich seit Mai 2021 gekannt und sich im September vergangenen Jahres mit einem Russen getroffen, der den Kontakt zum FSB hergestellt habe. E. sei zu mehreren Treffen in Moskau gewesen, teilte die Bundesanwaltschaft weiter mit.
Einem Bericht von "Süddeutscher Zeitung", WDR und NDR zufolge schweigt L. zu den Vorwürfen. E. hingegen habe umfassend ausgepackt. Ein russischer Unternehmer soll den Kontakt zum FSB hergestellt haben. Dieser habe sich eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland versprochen. Zudem hieß es, der FSB habe bei den Beschuldigten Informationen zu Standorten von US-Raketenwerfern und Details zum deutschen Luftabwehrsystem angefragt.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Der Prozess dürfte laut dem Bericht wegen vieler als geheim eingestuften Informationen voraussichtlich weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Zudem liegen Disziplinarverfahren gegen mehrere BND-Mitarbeiter wegen möglicher Verstöße gegen Dienstvorschriften vor.
Im August dieses Jahres hatten Ermittler des Bundeskriminalamtes zudem einen Mitarbeiter der Bundeswehr-Beschaffungsbehörde in Koblenz festgenommen. Der Beschuldigte soll für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen sein. Er habe sich von Mai 2023 an "aus eigenem Antrieb" mehrfach an das russische Generalkonsulat in Bonn und die russische Botschaft in Berlin gewandt und eine Zusammenarbeit angeboten, teilte die Bundesanwaltschaft damals mit. Dabei habe er Informationen aus seiner beruflichen Tätigkeit übermittelt – "zwecks Weiterleitung an einen russischen Nachrichtendienst".