Als sich die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer im November 2022 unter Palmen auf Bali trafen, markierte der G20-Gipfel auch eine Zäsur. Erstmals seit dem Überfall auf die Ukraine wurde Russland auf der Weltbühne isoliert, China – der wichtigste Verbündete der Regierung in Moskau – stellte sich damals mit klaren Worten gegen die nuklearen Einschüchterungsversuche des Kremls.
Wenn US-Präsident Joe Biden, Deutschlands Kanzler Olaf Scholz oder der indonesische Staatschef Joko Widodo nun knapp ein Jahr später in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi zum heurigen G20-Gipfel zusammenkommen, wird für Russland auch dieses Mal nicht viel mehr als die Rolle des Außenseiters übrig bleiben. So hat es selbst beim Treffen der BRICS-Staaten Mitte August zwar zahlreiche gemeinsame Fototermine mit BRICS-russischen Vertretern gegeben, mit konkreter Unterstützung für Moskau hielten sich China, Brasilien, Indien und Südafrika vor drei Wochen aber zurück.
Xi kommt nicht
Kremlchef Wladimir Putin, der nach dem BRICS-Gipfel nun das nächste große Treffen auslässt und stattdessen seinen Außenminister Sergei Lawrow schickt, ist aber nicht der einzige prominente Abwesende in Neu-Delhi. Auch Chinas Präsident Xi Jinping wird dem G20-Forum, das sich in den Jahren nach der Finanzkrise als zentraler globaler Konfliktbewältigungsmechanismus etabliert hat, fernbleiben.
Warum Xi die chinesische Delegation diesmal nicht anführen wird, wurde nicht offiziell begründet. Hintergrund dürfte Experten zufolge jedoch die zunehmende Rivalität der beiden aufstrebenden Staaten sein, die sich auch immer wieder in Grenzstreitigkeiten entlädt. So kam es etwa im Jahr 2020 im Himalaya regelmäßig zu blutigen Scharmützeln zwischen den beiden bevölkerungsreichsten Ländern der Welt. Vor zehn Tagen sorgte die Veröffentlichung einer offiziellen Karte, in der China umstrittene Gebiete für sich beanspruchte, dann für zusätzlichen Unmut.
Xis Abwesenheit ist aber nicht nur ein Dämpfer für Indiens Premierminister Narendra Modi, der als Gastgeber zeigen wollte, welch globale Bedeutung sein Land mittlerweile hat. Ohne den chinesischen Präsidenten dürfte es in Neu-Delhi auch schwierig werden, bei vielen zentralen Punkten einen halbwegs tragfähigen Kompromiss zu finden. So soll in der indischen Hauptstadt unter anderem über Schuldenerleichterungen für die ärmsten Länder der Welt, den Kampf gegen den Klimawandel und die jüngst wieder aufgekommenen globalen Konjunktursorgen beraten werden.
Ebenfalls ausfallen werden mögliche bilaterale Treffen zwischen Xi und US-Präsident Joe Biden. Auf Bali hat es im vergangenen Jahr im Vorfeld des G20-Gipfels noch ein langes persönliches Gespräch zwischen den beiden Staatschefs gegeben, bei dem nach der rapiden Verschlechterung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern zumindest den Grundstein für eine bessere Zusammenarbeit gelegt wurde. So kamen Biden und Xi im indonesischen Ferienparadies überein, trotz aller Differenzen zumindest in zentralen Bereichen wie etwa dem Klimaschutz zu kooperieren.
Biden trifft Modi
Das wichtigste bilaterale Treffen für Biden wird daher wohl das für Freitag angesetzte Gespräche mit Modi werden. Bereits im Juni hatte der US-Präsident den indischen Premier mit großem Pomp im Weißen Haus empfangen. Die Regierung in Washington bemüht sich schon seit Längerem, Indien als wichtigen Akteur im Indopazifik stärker an sich zu binden. Biden erhofft sich zudem, dass sich Indien im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg nicht mehr neutral verhält, sondern sich klar auf die Seite des Westens stellt.