Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat in einem am Montag veröffentlichten Erlass angeordnet, an den Botschaften des Landes keine Reisepässe mehr auszustellen. Auch für im Ausland lebende Bürger sollen Pässe nur noch in Belarus ausgestellt werden, wo Regime-Kritikern die Verhaftung droht. Bei der Opposition im Exil war mit dem Schritt gerechnet worden - seit Monaten laufen Gespräche mit westlichen Staaten über die Anerkennung alternativer Reisedokumente.
Zur Rückkehr gezwungen
Da neue Reisepässe nur noch auf Polizeiposten sowie an Ort und Stelle im Außenministerium in Minsk ausgestellt werden sollen, müssten Belarussinnen und Belarussen nunmehr vor Ablauf ihres Passes jeweils nach Belarus zurückkehren, um hier ein neues Dokument zu bekommen. Für zehntausende Staatsbürger, die 2020 gegen die gefälschten Präsidentschaftswahlen protestiert hatten und in Folge ins Ausland übersiedelt waren, stellen Reisen in die Heimat ein großes Risiko dar. Andererseits erwarten sie nach Ablauf der Gültigkeit ihres belarussischen Dokuments nun aber auch massive bürokratische Schwierigkeiten bei der Verlängerung des jeweiligen Aufenthaltstitels im Gastland. Dies gilt auch für Österreich.
Asylbewerber sind sicher
Keine Relevanz hat der aktuelle Erlass lediglich für jene Belarussen, die politisches Asyl beantragt haben und für einen legalen Aufenthalt im Gastland keine gültigen Dokumente ihres Heimatstaats mehr benötigen. Doch dabei handelt es sich etwa in Österreich um eine kleine Gruppe: Während laut der Statistik des österreichischen Innenministeriums nur knapp 100 Staatsbürger von Belarus seit 2020 hierzulande politisches Asyl beantragt haben, lebten nach Angaben von Statistik Austria mit Stand von 1.1.2023 etwa 2.100 Belarussinnen und Belarussen in Österreich. Wie viele davon sich auf schwarzen Listen des Lukaschenko-Regimes befinden und somit bei einer Heimatreise mit Repressionen rechnen müssten, ist unklar.
"Hundertausende haben Schutz verloren"
"Hunderttausende Belarussen haben de facto den Schutz ihres Staates verloren und wir versuchen, diese Arbeit in Bezug auf das Ausfertigen von Dokumenten nunmehr zu kompensieren", erklärte der APA am Montagabend Frank Wjatschorka, außenpolitischer Berater von Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. Er sprach davon, dass Muster von Personaldokumenten, die die im litauischen Exil lebende Tichanowskaja und ihr Team für belarussische Staatsbürger ausstellen will, demnächst in Druck gehen würden. Man hoffe auf Verständnis der Nachbarländer von Belarus und der europäischen Partner, damit diese neuen Dokumente auch so schnell wie möglich für Reisen und zur Identifikation anerkannt werden. "Die Thematik ist auch bereits bei Treffen mit Vertretern Österreichs angesprochen worden und wir hoffen auf Unterstützung der österreichischen Regierung sowie von Außenminister Alexander Schallenberg bei der Anerkennung dieser Dokumente", sagte Wjatschorka.
"Wir sind uns, ebenso wie andere EU-Mitgliedstaaten, der Problematik der Verlängerung von Reisepässen von im Exil lebenden Belarussen und Belarussinnen bewusst", erklärte eine Sprecherin des österreichischen Außenministeriums am Mittwochvormittag gegenüber der APA. Man bemühe sich um pragmatische Lösungen für die Betroffenen, wobei die Federführung für die Ausstellung von entsprechenden Aufenthaltstiteln beim Innenministerium liege, erläuterte sie.
"Fremdenpässe" als Lösung
Bereits im Sommer hatte die parlamentarische Versammlung des Europarats in Straßburg (PACE) für die Unterstützung von exilierten belarussischen Staatsbürgern plädiert. In einer Resolution waren am 20. Juni 2023 die Mitgliedsstaaten des Europarats aufgefordert worden, gemeinsam mit der Europäischen Kommission Lösungen zu finden, die Belarussinnen und Belarussen insbesondere durch die Anerkennung von abgelaufenen belarussischen Pässen sowie mit Hilfe von Fremdenpässen Reisen in der EU ermöglichen würden. In Österreich können laut Fremdenpolizeigesetz Fremdenpässe auch für Personen ausgestellt werden, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen. Zuständig für die Ausstellung sind dem Innenministerium untergeordnete Behörden.
Die Maßnahme in Belarus hat am Dienstag aber auch für Spekulationen gesorgt, dass Lukaschenkos Verbündete in Moskau ähnliche Schritte gegen eigene Staatsbürger setzen könnten. "Russland ist, so sagt man, nur einen Schritt hinter Bazka (Lukaschenko, Anm.)", schrieb der russische Ex-Diplomat Boris Bondarew auf Twitter (X).
Im Strudel von Moskaus diplomatischem Amoklauf
Zuvor hatte das Außenministerium in Moskau am Dienstag bekannt gegeben, die Tätigkeit der Konsularabteilung an der russischen Botschaft in Dänemark einzustellen. Begründet wurde mit der drastischen Reduktion des Botschaftspersonals in Kopenhagen von 15 auf 5 Personen. Diese war von Dänemarks Regierung angeordnet worden, um Parität mit der dänischen Botschaft in Moskau zu erreichen.
Aber auch ganz ohne massenhafte Ausweisung von Diplomaten haben Russinnen und Russen in Wien größere Probleme, neue Reisepässe zu erhalten bzw. sie zu beantragen: Laut Klagen aus der russischen Diaspora in Österreich scheinen online derzeit keine Termine an der Konsulabteilung der russischen Botschaft auf, an denen man einen neuen Reisepass beantragen könnte.