Null Medaillen holte Deutschland zuletzt bei der Leichtathletik-WM. Rang 46 hinter Staaten wie Botswana, Burkina Faso und den Britischen Jungferninseln. "Wir sind in einem riesigen gesellschaftlichen Dilemma, das sich auch im Sport zeigt. Wir sind dabei, Leistung abzuschaffen", klagt der ehemalige Zehnkämpfer Frank Busemann. Auch in der einstigen Paradedisziplin Fußball rumpelt es nach einem zweifachen Vorrunden-Aus bei der WM gewaltig. Im Land von Gerd Müller, Rudi Völler und Miroslav Klose fehlt es sogar an Mittelstürmern. Ein Fachkräftemangel der besonderen Art. "Wir waren körperlich stark. Wir wollten immer gewinnen. Aber plötzlich haben wir uns für diese deutschen Tugenden fast geschämt!", so der frühere Nationalspieler Matthias Sammer. Deutschland wirkt seltsam antriebsarm in diesen Tagen.
Das trifft nicht allein den Sport. Der Internationale Währungsfonds (IWF) listet Deutschland als einziges Land mit Negativwachstum. Erst Wochen nach der bitteren Analyse packt auch die Illustrierte "Spiegel" die Erkenntnis aufs Cover. Die verzögerte mediale Reaktion zeigt die beharrliche Realitätsverweigerung im Land. Aufschlussreicher ist ein Blick in die Regionalzeitungen des Landes. "Die Rheinpfalz" aus Ludwigshafen etwa meldet: Im pfälzischen Pirmasens, der Stadt mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung im Land, sperrt der Schlachthof zu. Es finden sich keine Fleischhauer. Im nahen Silz muss die Biobäckerei ihre größte Filiale schließen. Kein Geselle aufzutreiben. Niemand mag mehr körperlich schuften.
Peter Riesbeck (Berlin)