Hunderte Kameras im Londoner Stadtgebiet wurden in den letzten Monaten beschädigt oder gestohlen. Doch es ist kein Protest gegen die nahezu lückenlose Überwachung des öffentlichen Raums. Die Kameras ermöglichen nämlich auch die Kontrolle der Umweltzone „Ultra-Low Emission Zone“ (ULEZ), die von der Innenstadt auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet wurde: Seit gestern dürfen nur noch jene Autos kostenlos nach und durch die Stadt fahren, die bestimmte Umweltauflagen erfüllen, ansonsten sind 12,50 Pfund (14,56 Euro) pro Tag fällig, an dem das Auto bewegt wird. Betroffene Pkw sind in der Regel Benziner, die vor 2005, und Diesel, die vor 2015 zugelassen worden sind. Für Mopeds und Motorräder gelten ältere Standards. Bei Missachtung drohen 180 Pfund (210 Euro) Strafe.

Recht auf saubere Luft

Bürgermeister Sadiq Kahn argumentiert, dass alle Londoner ein Recht auf saubere Luft hätten, nicht nur die Bewohner der Innenstadt. Dort hätte die ULEZ-Einführung im Jahr 2019 zu 50 Prozent weniger Luftschadstoffen geführt, als Folge nahmen die einschlägigen Krankenhausaufenthalte von Kindern in der Zone um ein Drittel ab. Doch den äußeren Bezirken hätte die Maßnahme nichts gebracht; zwei Drittel der 500.000 Londoner mit respiratorischen Problemen würden aber dort wohnen.

Ursprünglicher Plan von Boris Johnson

Die Kritik am Bürgermeister und an der Maßnahme schien zuletzt im roten Drehzahlbereich angekommen. Vor allem seitens der Tories-Regierung, die mit dem emotionalen Thema Autofahren nun eine Chance sehen dürfte, ihrem Umfragetief entgegenzusteuern. „Es geht nicht darum, die Luftverschmutzung zu reduzieren, Kahn will damit an das Geld der Londoner“, kritisierte Verkehrsminister Mark Harper.
Was er dabei auslässt: Die ursprünglichen ULEZ-Pläne gehen auf Kahns Bürgermeister-Vorgänger zurück, Boris Johnson, Ex-Premier und langjährige Galionsfigur der Konservativen. Kahn will die Kritik nicht stehen lassen, wenn es ihm ums Geld ginge, hätte er die Innenstadtmaut ausgeweitet.

Satte Einnahmen

Tatsächlich spült ULEZ stattliche Summen in Londons Kassen. Im Jahr 2019 betrugen die Einnahmen 111 Millionen Pfund (129,3 Millionen Euro). Demgegenüber steht eine Abwrackprämie in der der Höhe von insgesamt 160 Millionen Pfund (186 Millionen Euro), um den Umstieg oder das Umrüsten auf emissionsärmere Fahrzeuge zu fördern. Der Höchstbetrag der Förderung pro Fahrzeughalter beträgt 2000 Pfund (2330 Euro). Den Ärmsten der Betroffenen dürfte das wenig nutzen, auch weil die Preise von ULEZ-konformen Gebrauchtfahrzeugen zuletzt gestiegen sind.

Neben der Abwrackprämie werden mit den Einnahmen auch Öffis ausgebaut: Vor allem in den äußeren Bezirken soll das Busnetz verbessert werden. 90 Prozent aller Fahrzeuge dürften die ausgeweitete Umweltmaut allerdings nicht betreffen, weil sie die nötigen Emissionsstandards schon erfüllen. Übrig bleiben geschätzt 690.000 Fahrzeuge. David Knes