Den Social-Media-Plattformen X, Facebook, TikTok und mehreren Google-Diensten drohen künftig Geldstrafen, wenn sie nicht stärker gegen illegale Inhalte vorgehen. Ab heute, Freitag, sind bestimmte Regeln für 19 sehr große Online-Plattformen und Suchmaschinen in der EU rechtlich durchsetzbar. Die Unternehmen müssen zum Beispiel Kinderpornografie oder Terrorpropaganda schneller als bisher entfernen.

Gefälschte Produkte sollen entfernt werden

Für Nutzer wird es wiederum einfacher, solche Inhalte zu melden. Online-Marktplätze wie Amazon sind nun verpflichtet, gefälschte Produkte oder gefährliches Spielzeug so gut wie möglich zu entfernen und die Käuferinnen und Käufer zu warnen. Außerdem müssen die Konzerne der EU-Kommission regelmäßig berichten, inwiefern ihre Plattformen etwa die psychische Gesundheit oder die Meinungsfreiheit gefährden.

Hintergrund ist das neue EU-Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA). Für sehr große Plattformen und Suchmaschinen mit mehr als 45 Millionen aktiven Nutzern im Monat sieht es sehr strenge Vorgaben vor. Denn aus Sicht der EU geht von ihnen ein besonders großes Risiko für die Gesellschaft aus. Sollten die Konzerne die Vorgaben nicht einhalten, droht ihnen eine Strafe von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes.

Die Details

Hannes Stummer von der Datenschutzplattform "epicenter.works" sieht in den neuen Bestimmungen vor allem zwei tragende Säulen. "Was man bei Amazon, Zalando oder Facebook angezeigt bekommt, beruht auf sehr genauen Analysen des individuellen Nutzungsverhaltens. Den Techgiganten wird nun erschwert, diese Daten zu verarbeiten. Andererseits wird es erleichtert, Hassreden und verbotene Inhalte zu melden."

Zwar verfügen Youtube und Co. jetzt schon über Moderatoren, doch ist die Abarbeitung teils schleppend und oftmals nicht zufriedenstellend. Teams rund um den Globus klicken sich täglich durch Millionen verstörender Inhalte – keine leichte Arbeit, die sogar Folgen für die mentale Gesundheit haben kann. Oft fehlt es aber auch an sprachlichen und kulturellen Kompetenzen, um Hassnachrichten als solche zu entlarven.

Daher werden nun zusätzlich in allen EU-Ländern Stellen bei den Kommunikationsbehörden geschaffen, die Beschwerden nachgehen können. Florian Tursky (ÖVP), Staatssekretär für Digitalisierung, begrüßte die Neuerung: "Ein bedeutender Schritt, bei dem es auch um die Rechte der Nutzer in Bezug auf Datenschutz geht." Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sagte, Österreich sei mit dem Kommunikationsplattformen-Gesetz bereits vorangegangen, der Hass im Netz müsse Konsequenzen haben.

Kritik kommt unterdessen aus rechten Kreisen, die in der Unterbindung von Hass, Hetze und Desinformation "Zensur" wittern. Doch auch Datenschützer mahnen ein, dass "Löschanordnungen aus illiberalen Mitgliedsstaaten" Inhalte EU-weit verschwinden lassen können.


Die wichtigsten Fragen und Antworten:

1 Um welche Dienste geht es überhaupt?
In der ersten Welle hat die EU-Kommission 19 globale Plattformen ausgemacht, die mehr als 45 Millionen aktive Nutzer im Monat haben. Dazu gehören X (früher Twitter), Facebook, Instagram, TikTok und mehrere Google-Dienste, aber auch Zalando, Wikipedia, Booking.com, der Amazon-Marketplace und der App Store von Apple. Ein Sonderfall ist Wikipedia, noch nicht dabei ist z. B. Telegram. Der Markt wird beobachtet, neue Dienste können dazukommen. Ab Februar soll das Gesetz auch auf kleinere Anbieter ausgeweitet werden.

2 Was heißt das nun in der Praxis?
Illegale, hetzerische oder kriminelle Inhalte können einfacher gemeldet werden und müssen schneller entfernt werden als bisher. Das gilt etwa für Hasstexte, aber auch z. B. für Anbieter gefälschter Waren oder gefährlicher Spielzeuge. Gleichzeitig müssen Geschäftsbedingungen so formuliert sein, dass "jedes Kind sie versteht", so ein EU-Beamter.

3 Was kommt auf die Plattformen zu?
Sehr viel. Sie müssen nicht nur viel schneller reagieren, sondern mehr Verantwortung übernehmen, ob etwa ein Risiko für Kunden mit ihren Angeboten verbunden ist. Snapchat oder Youtube müssen also zum Beispiel prüfen, ob ihr Angebot Cybergewalt fördert, die Meinungsfreiheit untergräbt oder sich ihr Algorithmus negativ auf die menschliche Psyche auswirkt.

4 Gilt das auch für Werbeeinschaltungen?
Ja. Personenbezogene Daten von Kindern und Jugendlichen dürfen zu Werbezwecken nicht mehr gesammelt werden. Gezielte Anzeigen sind verboten, wenn sie auf sensiblen Daten wie der Religion oder politischen Überzeugungen basieren.

5 Bekommen die Nutzer mehr Rechte?
Auch das ist der Fall. Plattformen müssen künftig mehr Informationen über ihre Arbeitsweise preisgeben. Als Nutzer kann man etwa fragen, warum man welche Werbung bekommt. Einige Konzerne wie Meta (Facebook, Instagram) haben schon Hunderte Mitarbeiter dafür neu eingesetzt, Google und TikTok ändern Algorithmen bzw. erhöhen Transparenz und Datenzugang. Andere, wie Zalando oder Amazon, haben hingegen Klagen eingereicht.

6 Und was sind die Strafmöglichkeiten?
Wer das Gesetz bricht, kann im ärgsten Fall mit Strafzahlungen von ein bis sechs Prozent des globalen Jahresumsatzes bestraft werden.

Zu den 19 zunächst betroffenen Plattformen und Suchmaschinen gehören neben auch Zalando, Wikipedia, Booking.com, der Amazon-Marketplace und der App Store von Apple sowie Alibaba, AliExpress, Google Play, Google Maps, Google Shopping, Instagram, LinkedIn, Pinterest, Snapchat, Youtube sowie die Suchmaschinen von Google und Bing.