Eine aktuelle Studie warnt vor einem "toxischen Einfluss russischer Propaganda" auf Serbien und seine Nachbarländer. "Die russischen Staatsmedien selbst sprechen von mehreren hundert Übernahmen für ihre Meldungen täglich", erklärte Studienautor Thomas Brey, der im Auftrag der in Potsdam ansässigen FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung die serbische Medienlandschaft untersuchte, gegenüber der APA. Er forderte die Bildung von Schülern und Journalisten in Sachen Desinformation.

Russisches Fernsehen in Serbien auf Sendung

"Die EU und die USA versuchen mit Milliarden-Euro-Hilfen und einem Heer an Diplomaten und Experten, diese Region fest in ihren Reihen zu verankern", schreibt der frühere Regionalbüroleiter der Deutschen Presse-Agentur (dpa) für Südosteuropa in der Studie, die im Juli erschien. Wegen des Einflusses der russischen Propaganda seien "alle Bemühungen Brüssels und Washingtons um demokratische Reformen in dieser Region von Anfang an zum Scheitern verurteilt". Die EU verhängte nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine ein Sendeverbot für die russischen Staatsmedien RT (früher Russia Today) und Sputnik. In Serbien arbeiten diese Medien ungehindert.

Brey analysierte die Übernahme russischer Propaganda durch serbische Medien. Sputnik und RT Balkan bieten Beiträge in serbischer Sprache an. "Die werden von den Medien eins zu eins breit übernommen." So fand etwa unlängst die "Nachricht", die Nato bereite einen Atomschlag gegen Russland vor, über die Übernahme durch die serbische Nachrichtenagentur Tanjug Eingang in Dutzende serbische Medien und Portale, erzählte der parteifreie Experte. Nach offiziellen Behördenangaben gebe es im kleinen Serbien 940 Printmedien, 750 Internetportale, 33 Radiosender, 244 TV-Sender und 30 Nachrichtenagenturen. Im Index der Pressefreiheit 2023 von Reporter ohne Grenzen ist Serbien um zwölf Plätze auf Platz 91 gefallen.

Geld aus Brüssel

Dass russische Propaganda Einfluss hat, zeigt sich gemäß der Studie in Meinungsumfragen. "Privat sind die Menschen bei ausländischen (Kultur-)Kontakten, beim Kauf ausländischer Waren, beim Mode- und Musikgeschmack oder bei der Auswanderung ausschließlich auf den Westen konzentriert. Meist sind Österreich und Deutschland die Traumziele der Arbeitsmigranten", berichtete Brey. Die EU sei der mit Abstand wichtigste Partner des größten Landes des westlichen Balkans. In den vergangenen zwei Jahrzehnten habe Serbien von Brüssel weit über drei Milliarden Euro nicht rückzahlbarer Hilfen erhalten. 67 Prozent aller ausländischen Investitionen stammen aus Westeuropa. Das Balkanland gehöre zu den drei Ländern weltweit mit den höchsten Überweisungen aus Brüssel und bekommt pro Jahr rund 300 Millionen Euro, die als Donation nicht zurückgezahlt werden müssten.

Die Wahrnehmung der Bürger in der Region sei dagegen eine ganz andere. Bei Meinungsumfragen geben Serbinnen und Serben an, Russland und China hätten in den letzten zehn Jahren die meisten Donationen überwiesen. Bei einem möglichen Referendum über den EU-Beitritt des Landes würden 51 Prozent der Bürger gegen eine EU-Mitgliedschaft stimmen. 40 Prozent der Befragten nennen die Russen als jene Nation, die ihnen am nächsten sei. Als bester Spitzenpolitiker weltweit gilt für 45 Prozent der russische Präsident Wladimir Putin. Besonders bei jungen Menschen schneide die EU schlecht ab: Nur 18 Prozent sehen die Union positiv, hieß es.

Serbische Elite schweigt zu Prigoschin

Nach dem Flugzeugabsturz der Maschine von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin zeigten sich die serbischen Regierungsmedien "verunsichert", berichtete Brey der APA. Es gebe keine Orientierung, weil auch die serbische politische Elite schweige, "die bedingungslos hinter Putin steht und sich daher in der Zwickmühle befindet. Die meisten von der Regierung kontrollierten serbischen Medien helfen sich damit, dass sie nur über Seitenaspekte des Themas berichten".

Der Westen müsse es schaffen, sich auf dem Balkan Gehör und Einfluss zu verschaffen, forderte Brey. Ansetzen müsste man seiner Ansicht nach in den Schulen, wo die Kinder durch "die aktuellen Lehrbücher gegen den Westen aufgehetzt werden". Die Studie plädierte dafür, den Aufbau von Medienkompetenz in die Lehrpläne aufzunehmen, um junge Menschen in die Lage zu versetzen, inhaltsfreie Propaganda zu bemerken. Ein breiterer Jugendaustausch solle den Menschen durch persönliche Begegnungen vermitteln, wie die Lage im Westen tatsächlich ist. "Das Wichtigste ist die Aus- und Weiterbildung von Nachwuchsjournalisten und die Eindämmung der massiven Lügenpropaganda russischer Staatsmedien, vereint mit serbischen TV-, Print- und Digitaltiteln. Denn sonst kämpft der Westen auf der Balkanhalbinsel auf verlorenem Posten."